Auen opfern für Tagebauseen?

11. August 2024 | BUNDzeit-Artikel, Klimaschutz, Wasser

Eine potenziell folgenschwere Idee geistert durch Ostdeutschland: Eine gigantische Leitung könnte Wasser von der Elbe zur Spree bringen. Profitieren würde davon vor allem der Braunkohlekonzern LEAG – auf Kosten der Elbauen, einer der letzten großen Auenlandschaften Europas.

Alle Jahre wieder: Niedrigwasser ist an der Elbe mittlerweile die Norm (Foto: Iris Brunar)

Die Kohlewirtschaft in der Lausitz hat den überregionalen Wasserhaushalt bis weit nach Sachsen weitgehend zerstört. Nach der Wende hätte man diese gravierenden Eingriffe beenden können, stattdessen wurden neue Tagebaue genehmigt. Um die Kohle zu fördern, muss das Grundwasser weiträumig abgesenkt werden – und um die Grundwassermassen ableiten zu können, wurde die Spree ausgebaut. Die Zeit nach der Braunkohle hatte man einfach ausgeblendet.

Nun wird klar: Der Spree steht nur noch ein Viertel des bisherigen Wassers zur Verfügung, wenn das Grundwasser nicht mehr abgepumpt und in den Fluss eingeleitet wird. Einen Rückbau der Spree auf das ursprüngliche Maß haben die Braunkohleplaner*innen niemals in Betracht gezogen. Eine nicht ganz neue, vermeintlich einfache Lösung lautet: Elbewasser über eine gigantische Pipeline in die Spree pumpen. Auch die Regierungschefs von Berlin, Brandenburg und Sachsen diskutierten Mitte Juni diese Überlegung, gestützt auf eine umstrittene Studie des Umweltbundesamts (UBA).

Drei Varianten für Überleiter schlägt die UBA-Studie „Wasserwirtschaftliche Folgen des Braunkohleausstiegs in der Lausitz“ vor. Die favorisierte Variante holt sich das Elbewasser kurz hinter der tschechischen Grenze in Bad Schandau und pumpt es mitten durch das Elbsandsteingebirge im Nationalpark Sächsische Schweiz auf eine Höhe von rund 100 Meter über der Elbe, von wo es im Gefälle 33 Kilometer zur Spree oberhalb von Bautzen läuft. Doch die UBA-Studie, deren Verfasser eine bedenkliche Nähe zum LEAG-Konzern pflegen, hat zahlreiche Mängel. So kritisierte etwa die Hydrogeologie- Professorin Irina Engelhardt von der TU Berlin in ihrer Stellungnahme vor dem Umweltausschuss des Bundestags, die Studie verwende das Klimaszenario mit dem meisten Niederschlag, das gleichzeitig das unrealistischste sei.

Auch der BUND weist darauf hin, dass die UBA-Studie veraltete Daten zum Wasserdargebot der Elbe verwendet und die Trockenheit der letzten Jahre nicht berücksichtigt. Die Elbe und ihre Auen leiden selbst seit langem unter Wasserknappheit. Seit dem Jahrhunderthochwasser 2013 herrschten bis Anfang 2024 lang anhaltende Niedrigwasserphasen am Strom, sodass die Auen der Mittelelbe in einem desolaten Zustand sind. Insbesondere die Hartholzwälder zeigen deutliche Folgen von Trockenstress. Dazu Iris Brunar, BUND-Elbeexpertin: „Mit einer Überleitung von Elbewasser in die Lausitz würde das Problem schlichtweg verlagert werden. Den Auen entlang der Elbe fehlt schon jetzt das Wasser. Der Fluss erreicht die Auen nicht mehr wie früher alle ein bis zwei Jahre. Daher werden gerade kleinere Hochwasser gebraucht und können nicht abgezweigt werden. Denn sie versorgen die Lebensräume in der Aue mit Wasser.“

Obwohl das Vorhaben vordergründig mit der Trinkwasserversorgung von Berlin begründet wird, würde in erster Linie der Energiekonzern LEAG davon profitieren, der zur Rekultivierung der Lausitzer Tagebaulandschaften verpflichtet ist. Bislang nutzte man abgepumptes Grundwasser aus den aktiven Tagebauen, um stillgelegte Gruben zu fluten. Dieses für LEAG ausgesprochen günstige Modell funktioniert nicht mehr, wenn die letzten Tagebaue bis spätestens 2038 ihren Betrieb einstellen. Statt ein vorhersehbares Problem dadurch zu beheben, dass man anderswo neue Umweltprobleme schafft, fordert der BUND echte Lösungen für den Wasserhaushalt der Region. Es darf dabei keine Denkverbote und Vorfestlegungen auf bestimmte Lösungen wie etwa die Überleitung von Elbewasser geben. Grundvoraussetzung für objektive Gutachten sind freilich unabhängige Gutachter*innen.

Der BUND sagt: Während die Spree wieder ihre natürliche Form erhalten soll, müssen die Tagebaufolgeseen so gestaltet werden, dass sie als Wasserspeicher dienen. Sie müssen also tief sein und möglichst wenig Oberfläche aufweisen. Flache, ausgedehnte Seen fungieren dagegen durch die Verdunstung selbst als enorme Wasserverbraucher. Um die Belastung durch Eisenhydroxid und Sulfat zu begrenzen, muss der Abraum weiträumig gekalkt werden. Befüllt werden dürfen die Seen nur dann, wenn es Wasserüberschuss gibt, beispielsweise bei Starkregen oder Hochwasser der Spree.

Damit tatsächlich der Verursacher der Schäden für die Folgekosten aufkommt, müssen Vermögenswerte der LEAG gesichert werden – und zwar rechtzeitig, solange diese noch Geld mit der Braunkohleverstromung verdient. Nicht zuletzt fordert der BUND einen vorgezogenen Kohleausstieg bis 2030. Denn das bedeutet weniger zu rekultivierende Tagebaufläche, was dem regionalen Wasserhaushalt hilft.

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2024-3. Mehr zum Schwerpunktthema Wasser:

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