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Blockade auf den letzten Metern

16. November 2021 | Abfall, Artenvielfalt, Autoverkehr, Bauen, BUNDzeit-Artikel, Fahrrad, Flächenschutz, Fußverkehr, Immer.Grün, Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Stadtentwicklung, Stadtnatur, Verkehr

Die Umwelt- und Naturschutzbilanz von Rot-Rot-Grün in Berlin sähe deutlich besser aus, wenn die SPD nicht kurz vor der Wahl wichtige, vom Senat bereits beschlossene Vorhaben im Landesparlament verhindert hätte.

Folgt die Berliner SPD Franziska Giffey zurück ins 20. Jahrhundert? Foto: Willy Pragher, CC BY-SA 3.0, Lizenz: kurzelinks.de/ccbysa3

Ende 2016 waren SPD, Linke und Grüne mit einer ökologischen Agenda angetreten. Im Koalitionsvertrag bezeichneten sie die vielen Grün- und Wasserflächen als zu schützende „einmalige Werte“ und versprachen, Berlin 2050 zur klimaneutralen Stadt zu machen. Tatsächlich hatten die Umweltverbände in den folgenden Jahren gelegentlich Grund, die rot-rot-grüne Koalition zu loben oder zumindest weniger stark zu kritisieren als vorherige Landesregierungen. Umso unerfreulicher waren die letzten Wochen vor der Abgeordnetenhauswahl Ende September, als die SPD-Fraktion und ihre Spitzenkandidatin Franziska Giffey mit dem Gesetz zur Novellierung der Bauordnung, dem letzten Teil des Mobilitätsgesetzes und der Charta für das Berliner Stadtgrün drei lang geplante wichtige ökologische Projekte kurz vor der endgültigen Abstimmung im Parlament stoppten.

Die neue Bauordnung sollte für mehr Stadtgrün beim Neubau sorgen: Begrünung auf Flachdächern und auf mindestens einem Fünftel der Grundstücksfläche oder ersatzweise auf Dach und Fassade. Damit Baustoffe beim Abriss besser wiederverwendet und recycelt werden können, sollte eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Rückbaukonzepts kommen. Außerdem sah die Bauordnung Nistkästen für Gebäudebrüter, Quartiere für Fledermäuse, Maßnahmen gegen Vogelschlag und auch bei Bestandsgebäuden den Einbau von Kaltwasserzählern vor, um das Bewusstsein für das kostbare Nass zu schärfen.

Das aus einem bundesweit einzigartigen Dialogprozess zwischen Parteien und Verbänden hervorgegangene Mobilitätsgesetz sollte um je einen Absatz zum Wirtschaftsverkehr und zu „neuer Mobilität“ ergänzt werden. Weil unter Letzerem weniger Platz für fließenden und ruhenden Autoverkehr nicht ausgeschlossen war, ließ die SPD das Vorhaben platzen. Somit gibt es in Berlin weiterhin keine explizite gesetzliche Grundlage, um Fahrspuren und Pkw-Stellplätze in dringend benötigte Lieferzonen umzuwandeln.

Die ebenfalls Ende August beerdigte Charta für das Berliner Stadtgrün hätte zwar keinen Gesetzescharakter gehabt, sollte aber als Selbstverpflichtung des Landes die bestehenden Kleingärten, Grünanlagen und grünen Brachen vor Versiegelung und Bebauung sichern. Nachdem der Vorschlag der Koalition im Umweltausschuss auch die Zustimmung der Oppositionsparteien CDU und FDP gefunden hatte, zog die stärkste Regierungsfraktion kurz vor der finalen Abstimmung im Abgeordnetenhaus ihre Zustimmung zurück. Knackpunkt: Die SPD wollte plötzlich grünen Flächen nur noch dann Schutz einräumen, wenn ihnen keine anderen öffentlichen Interessen entgegenstehen, was erfahrungsgemäß so gut wie nie der Fall ist. Dass SPD, Linke und Grüne den Schutz der Stadtnatur auf ihre Agenda gesetzt hatten, war maßgeblich dem Druck der Naturschutzverbände zu verdanken. Sollte sich die nächste Koalition dem wenig sachdienlichen Mantra „Bauen, bauen, bauen“ verschreiben, haben der BUND und seine Verbündeten keine andere Wahl, als zur Sicherung der grünen Flächen einen Volksentscheid zu organisieren.

Das dreifache Njet der SPD-Führung passte perfekt in ihre populistische Wahlkampfstrategie, die Stadtgesellschaft in zwei Lager zu spalten: innerhalb des S-Bahnrings die vermeintlich wohlhabenden, abgehobenen, Lastenfahrrad fahrenden elitären Ökobewegten und in den Außenbezirken die von grünen Verboten gegängelten, hart arbeitenden „normalen“ Leute. Spannend wird, ob die rund 19.000 Berliner Genoss*innen diesen Kurs auf Dauer mittragen.

Der BUND fordert von der nächsten Regierungsmehrheit, die drei gestoppten Vorhaben wieder aufzunehmen. Des Weiteren hat er einen umfangreichen Forderungskatalog zu Naturschutz, Wasserpolitik, Abfallwirtschaft, Energie und Mobilität zusammengestellt.

Zu den detaillierten BUND-Forderungen zum rot-grün-roten Koalitionsvertrag: www.BUND-Berlin.de/koalitionsverhandlung

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 21-4.

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