Vor 99 Jahren schloss Berlin 15 Badeanstalten an Spree und Landwehrkanal und verbot das Schwimmen in den innerstädtischen Fließgewässern. Zu sehr hatten industrielle Abwässer und Einleitungen aus der Kanalisation die Wasserqualität verschlechtert. Das Badeverbot gilt bis heute, immer noch bringen Starkregenereignisse die Berliner Mischkanalisation zum Überlaufen. Abwasser fließt dann zusammen mit dem um Straßendreck angereicherten Niederschlagswasser nicht wie sonst in die Kläranlage, sondern ungereinigt in die Spree und ihre Nebengewässer. Auch anderen Metropolen versaut die Mischkanalisation die Qualität ihrer Gewässer. Manche aber ändern etwas. Zum Beispiel Paris. Um Schwimmwettbewerbe der Olympischen Spiele 2024 in der Seine austragen zu können, baute die Stadt ein unterirdisches Reservoir für 46.000 Kubikmeter Regenwasser. Ab 2025 sollen die Pariser*innen an drei Badestellen in der Seine schwimmen können.
Um es gleich klarzustellen: Der BUND will keineswegs im Namen der Wasserqualität die Olympischen Spiele nach Berlin holen. Historisch hoch belastet, viel zu teuer und so ziemlich das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Das Ziel jedoch, die Stadtspree wieder beschwimmbar zu machen, ist sehr sinnvoll. Allerdings reicht es nicht, ein oder mehrere große Regenwasserreservoire zu bauen, vielmehr muss Berlin das Schwammstadt-Konzept konsequent umsetzen. Denn das hilft nicht nur gegen das Überlaufen der Mischkanalisation, sondern auch beim zentralen Wasserproblem Berlins: der Trockenheit.
Mit Brandenburg bildet Berlin eine der bundesweit trockensten Regionen, daran ändern der Seenreichtum und ein paar Wohnviertel mit hohem Grundwasserstand nichts. Um die wachsende Bevölkerung mit Trinkwasser versorgen zu können und gleichzeitig die Stadtnatur von den Straßenbäumen über die Kleingewässer und Moore bis zu den Wäldern zu erhalten, müsste so viel Niederschlag wie möglich zurückgehalten werden. Sonst verschwindet er in der Kanalisation und letztlich in der Nordsee. Zwar wirbt seit 2018 die Berliner Regenwasseragentur für Gründächer, Regentonnen und Versickerungsflächen, doch angesichts der Problemdimension ist das nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Und die Wasserbetriebe fördern unverdrossen mehr Grundwasser, als Moore und Wälder vertragen. Damit verstößt Berlin gegen FFH- und Wasserrahmenrichtlinie, also gegen zwingendes Naturschutzrecht. Seit 28 Jahren arbeiten die Wasserwerke Friedrichshagen, Tegel, Spandau und Beelitzhof ohne förmliche Zulassung.
Probleme anpacken, nicht nur benennen
2022 hatte Rot-Grün-Rot einen „Masterplan Wasser“ mit 32 Maßnahmen verabschiedet, den auch die neue Umweltsenatorin Ute Bonde (CDU) umsetzen will. Er analysiert durchaus die Probleme, schwächelt aber bei den Maßnahmen. Einige von ihnen sind grundsätzlich richtig, bleiben aber vage und unwirksam. So will der Plan in Dürrephasen die Wasserentnahme begrenzen, legt aber keinen Mechanismus dafür fest. Das Mischwassersanierungsprogramm geht weiter, aber mit bescheidenen Zielen – auch nach seiner Umsetzung wird die Kanalisation bei Starkregenereignissen regelmäßig in die Spree überlaufen. Andere Maßnahmen schaden der Natur, wenn die Wasserförderung intensiviert oder Optionen zur Trinkwasserversorgung Berlins aus anderen Bundesländern erkundet werden sollen – auf Kosten der dortigen Natur.
Die schönsten Masterpläne helfen nichts, wenn die Politik das Wasserproblem nicht bei seinen drei Wurzeln anpackt. Erstens schränkt die ungebremste Flächenversieglung die Grundwasserneubildung stark ein. Deshalb braucht es eine echte Bau- und Verkehrswende: umbauen statt neu bauen, Autostraßen und Parkplätze rückbauen statt ausbauen, so viel Boden wie möglich entsiegeln. Zweitens fehlt ein System zur Grauwassernutzung. Verwendete man Dusch- und Küchenspülwasser für die Toilettenspülung, ließe sich der Trinkwasserverbrauch um mindestens 30 Prozent senken. Drittens ist der Verbrauch angesichts der begrenzten Ressourcen schlicht viel zu hoch. Dagegen helfen höhere Wasserpreise. Das bedeutet nicht, Trinkwasser zum Luxusgut zu machen. Sehr wohl wären aber spürbare Preisanhebungen jenseits eines angemessenen Grundverbrauchs sinnvoll. Es gibt kein Grundrecht darauf, mit kostbarem Trinkwasser den Garten zu gießen oder den Swimmingpool zu füllen, während Regenwasser ungenutzt von der Dachrinne in den Abfluss läuft.
Gerechte Gebühren
Der BUND fordert: Vor allem die Großverbraucher müssen endlich angemessene Wasserpreise zahlen! In Brandenburg zahlt der größte Verbraucher, der Braunkohlekonzern LEAG, für die weit über 100 Millionen Kubikmeter Grundwasser, die er jährlich aus den Tagebauen abpumpt und mit Eisenocker und Sulfat verschmutzt in die Spree abgibt, exakt null Cent. Und wenn die Landwirtschaft die Oberflächengewässer anzapft, um Felder zu bewässern, tut sie das ebenfalls kostenlos.
Wer glaubt, die bisher überdurchschnittlichen Niederschläge des Jahres 2024 lösten die Trockenheitsprobleme, irrt leider. Alle Klimaprognosen sagen in den kommenden Jahrzehnten deutlich weniger Regen in der Region voraus. Gleichzeitig wird die Spree, aus deren Uferfiltrat Berlin einen Großteil des Trinkwassers fördert, nach Ende der Braunkohleverstromung wieder ihr viel geringeres natürliches Volumen annehmen. Höchste Zeit also, Berlin-Brandenburg zur wassersparenden Schwammregion umzubauen – und sich nach getaner Arbeit mit einem Sprung in die Stadtspree zu belohnen.
Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2024-3. Mehr zum Schwerpunktthema Wasser:
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