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Die Pop-up-Verkehrswende

21. August 2020 | Autoverkehr, BUNDzeit-Artikel, Fahrrad, Mobilität

Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die Mobilität in Berlin aus?

Provisorische Fahrradspur auf der Kantstraße in Charlottenburg

Noch lässt sich der Fahrgastrückgang bei den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht genau beziffern, die BVG schätzt, dass die Fahrgastzahlen zwischen Mitte März und Mitte April um 75 Prozent sanken, um Mitte Mai wieder 54 Prozent der Vor- Corona-Werte zu erreichen. Der Autoverkehr nahm ebenfalls deutlich ab, wie sich auch an den Zahlen der Straßenverkehrsunfälle ablesen lässt, die Mitte März stark zurückgingen und bis Ende April noch nicht wieder das Niveau der ersten Märzhälfte erreicht hatten.
Die Zahlen für den Radverkehr zeigen zum Höhepunkt der Corona-Krise ein leichtes Plus.

Die 16 automatischen Zählstellen erfassten im April 2020 1,6 Millionen Fahrradfahrten, im Vorjahreszeitraum waren es 1,5 Millionen. Offensichtlich kommt Radfahren für viele Menschen durchaus als Pandemiebedingte Alternative zu Bus und Bahn infrage – ihnen mehr Platz und damit mehr Sicherheit auf den Straßen einzuräumen, hilft also direkt, das Infektionsrisiko im öffentlichen Verkehr zu senken und denjenigen die knappen Kapazitäten zu lassen, die nicht aufs Rad umsteigen können. Umso unverständlicher ist es, dass nicht mehr Bezirke dem Kreuzberger Vorbild folgen und geschützte Radstreifen als Provisorium („Pop-up- Radwege“) für die Dauer der Corona-Krise einrichten.

Es kommt auf die Bezirke an

Mit Ausnahme der Kantstraße in Charlottenburg und der Danziger Straße in Prenzlauer Berg sind alle provisorischen Radstreifen im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Wie so oft in der zweistufig organisierten Verwaltung Berlins beschleunigt die Aufgabenteilung zwischen Landes- und Bezirksebene die Verkehrswende nicht gerade. Auf Grundlage eines Regelplans „Temporäre Einrichtung und Erweiterung von Radverkehrsanlagen“ planen Bezirke und Senatsverkehrsverwaltung gemeinsam die Pop-up-Radwege. In der Praxis bedeutet das: Wo Bezirksverwaltungen Radverkehr nicht fördern möchten, passiert nichts. Deshalb haben ADFC, BUND und weitere Aktive ein Mahnschreiben an die Verkehrsstadträtin von Marzahn-Hellersdorf geschickt.

Wie konnte Friedrichshain-Kreuzberg für die Öffentlichkeit überraschend schnell Straßenfläche zugunsten des Radverkehrs umverteilen? Alle jetzt provisorisch eingerichteten Radverkehrsanlagen waren schon geplant und sollen im Zuge des Mobilitätsgesetzes ohnehin umgesetzt werden. Die spannende Frage ist nun, was nach dem 31. Dezember 2020 passiert. Nur bis zu diesem Datum sind die Pop-up-Radwege genehmigt. Gelingt es, rechtzeitig die regulären Planungsverfahren durchzuführen, sodass die gelben Linien durch weiße ersetzt werden können?

Wie nicht anders zu erwarten, sind die Pop-up-Radwege politisch hart umkämpft. Insofern fungieren die Provisorien auch als Experiment. Funktionieren die Haltezonen für den Lieferverkehr? Gehen die Anwohner*innen wirklich auf die Barrikaden wegen ein paar Parkplätzen weniger? Hat die neue Aufteilung Auswirkungen auf den Busverkehr? Bislang hatte die Pünktlichkeit zumindest der dreitürigen BVG-Busse von der Pandemie eher profitiert. Weil nun alle Türen außer der vorderen zum Einstieg geöffnet sind, verkürzen sich die Haltezeiten. Der BUND fordert, diese Regelung beizubehalten, auch wenn die vorderen Türen wieder öffnen.

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 20-3.

 

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