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Nichts gegen Klimaschutz, aber ...

11. Februar 2020 | Autoverkehr, BUNDzeit-Artikel, Flugverkehr, Klimaschutz, Populismus, ÖPNV

Abgesehen von der AfD sind alle Parteien grundsätzlich für den Umwelt- und Naturschutz. Außer dann, wenn es konkret wird. Eine Übersicht von Abwehrtaktiken, die vor allem auf schnellen Applaus zielen.

Soziale Fragen vorschieben

Wer Veränderungen verhindern oder verzögern will, kann versuchen, sie in einen Zusammenhang mit sozialen Schieflagen zu bringen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Verkehrspolitik. Beliebt ist in der Berliner Debatte um die künftige Mobilität außerdem, Unterschiede zwischen Bewohner*innen der Innenstadt- und Außenbezirke zu machen.

„Eine Kellnerin, die im Stadtzentrum arbeitet, kann in der Nacht nicht mehr mit der Bahn in Richtung Spandau nach Hause fahren, weil dann keine Bahn mehr fährt. Soll sie also auf ihre Arbeit verzichten oder die Parkuhr mit ihrem Lohn füttern? Das ist nicht sozial gerecht.“
Raed Saleh (SPD) zum Thema Parkraumbewirtschaftung

„In den Randbezirken wohnen die Ameisen, die die Stadt für die Reichen am Laufen halten … Man kann nicht einfach den Leuten am Rand der Stadt verbieten, mit ihrem alten Kleinwagen zu fahren, weil man sie dann vom städtischen Leben abschneidet.“
Sven Kohlmeier (SPD) über Mobilität in Berlin

„Müller will diejenigen bestrafen, die morgens aufstehen, zur Arbeit fahren und nach Feierabend die Kinder vom Sportverein abholen.“
 Kai Wegner (CDU) über das später zurückgezogene Bekenntnis des Regierenden Bürgermeisters zur emissionsfreien Stadt 2030

Richtig ist: Der öffentliche Nahverkehr muss besser werden, aber nicht nur in den Randbezirken, sondern auch im Zentrum und selbstverständlich auch in Brandenburg. Davon profitieren Menschen mit niedrigen Einkommen am meisten, schließlich sind sie gleichzeitig auch diejenigen, bei denen der Motorisierungsgrad niedrig ist. Wenn Einschränkungen des Autoverkehrs kommen – und die werden kommen –, müssen sie für alle gleichermaßen gelten.

Überbringer schlechter Nachrichten diskreditieren

Regelmäßig und völlig zu Recht prangert die Fridays-for-Future-Bewegung das Versagen der Politik an. Wenn Politiker*innen versuchen, prominente Vertreterinnen der Bewegung als Heuchlerinnen zu entlarven, können sie sich auf die Zustimmung all derjenigen verlassen, die sich gegen Veränderungen sperren.

„Klar, das ist auch ein Stück weit Selbstinszenierung […] Sie hat den zweiten Teil der Geschichte nicht öffentlich erzählt, wahrscheinlich wusste sie, warum.“
Franziska Giffey (SPD) über Greta Thunbergs Reise mit der Deutschen Bahn

„Doppelmoral à la Luisa Neubauer: Regierung und Politiker für angebliches Engagement beim Klimaschutz attackieren, aber mit 23 mehr Kontinente bereist haben als die meisten Deutschen.“
Stefan Müller (CSU)

Sind nun alle Forderungen von Fridays for Future hinfällig? Weil Greta Thunberg ihre Fahrt durch Deutschland nicht ausschließlich auf dem ICE-Fußboden, sondern teilweise auch auf einem Sitzplatz in der ersten Klasse (erste Klasse! Elite! Neid!) verbracht hat? Und weil ihre deutsche Mitstreiterin Luisa Neubauer schon einmal ein Flugzeug von innen gesehen hat?

Whataboutismus

Auf ein anderes Problem zeigen und „Aber was ist denn mit …“ sagen, ist eine uralte Taktik. Oft wenden sie die Fans von undemokratischen Regimes an, indem sie Kritik an Menschenrechtsverletzungen mit dem Hinweis auf schlimme Zustände in anderen Ländern kontern. In der Klimaschutzdebatte lässt sich das aber auch hervorragend machen.

„Wir reden die ganze Zeit nur über Fleisch, wir sollten genauso über Heizen und Wohnen reden!“
Christian Lindner (FDP)

Richtig, Heizen und Wohnen ist durchaus klimarelevant. Nur: Niemand hindert den FDP-Vorsitzenden, darüber zu reden. Doch leider tut er es nur dann, wenn andere über Fleisch sprechen. Nebenbei erwähnt: Die meisten Menschen haben kurzfristig nur sehr begrenzt Einfluss darauf, mit welcher Technik sie heizen und wo sie wohnen. Ernährungsgewohnheiten dagegen lassen sich von einer Minute auf die andere modifizieren. Zuerst die Dinge ändern, die man leicht ändern kann, das müsste einem echten, pragmatischen Liberalen doch gefallen …  

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2020/1. Weitere aktuelle Beiträge zum Schwerpunktthema Populismus:

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