Tübinger Erfolgsrezept

04. Mai 2025 | Abfall, BUNDzeit-Artikel, Lebensmittel

Weniger Vermüllung und mehr Geld im Haushalt: Es ist Zeit für eine Steuer auf To-go-Einwegverpackungen

Wenn die Einwegverpackungssteuer kommt, spart man mit Eis in der Waffel ordentlich Geld. Foto: Sebastian Petrich

„In der Waffel oder im Becher?“ Diese Frage könnte sich bald überall dort erübrigen, wo Kommunen dem Tübinger Beispiel folgen und eine Steuer auf Einwegbehälter für Getränke und Speisen zum Mitnehmen erheben. In der schwäbischen Universitätsstadt werden seit Anfang 2022 unabhängig vom Material jeweils 50 Cent für Getränkebecher, Pizzakartons, Boxen und Schalen mit oder ohne Deckel, Teller, Tüten sowie Einwickelpapiere und -folien fällig. Bei Einwegbesteck, Rührstäbchen und Strohhalmen sind es 20 Cent. Nach drei Jahren Einwegverpackungssteuer nennt Claudia Patzwahl, die das bundesweit Aufsehen erregende Projekt in der Tübinger Stadtverwaltung leitet, Eisbecher und Eislöffel als eines von mehreren Beispielen für weggeworfene Einwegartikel, die aus dem Stadtbild nahezu verschwunden sind. Wer will schon 70 Cent extra für Müll zahlen?

Anfang 2025 veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht seine lang erwartete Entscheidung zur Tübinger Verpackungssteuer: Sie ist verfassungskonform, die Beschwerde einer örtlichen Gastronomin wurde abgewiesen. Das dürfte auch die Stadtverwaltung von Potsdam freuen, die die Einführung einer solchen Steuer prüft. In Berlin sträubt sich die CDU und verschiebt das Thema auf die Bundesebene und somit auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Eine Einwegverpackungssteuer belaste die Gastronomie übermäßig und koste mehr, als sie bringe, argumentiert die CDU. Zudem gelte ja bereits die Mehrwegangebotspflicht.

Die Erfahrungen aus Tübingen widerlegen diese Einwände. 2022 und 2023 nahm die rund 90.000 Einwohner*innen zählende Stadt 720.000 Euro und 635.000 Euro durch die neue Steuer ein, wofür 1,25 Vollzeitstellen benötigt wurden. Hinweise auf Geschäftsaufgaben als Folge der Steuer liegen der Stadtverwaltung nicht vor. Bekannt ist hingegen, dass die Verteuerung des Wegwerfgeschirrs einen Mehrwegboom auslöste. Nirgendwo in Deutschland gibt es relativ zur Bevölkerung mehr To-go-Mehrwegnutzung als in Tübingen.

In Berlin gilt bisher nur die Mehrwegangebotspflicht. Ein paar Mehrweggefäße zusammen mit dem vorgeschriebenen Hinweisschild ins Regal hinter der Theke zu stellen, reicht, um der Mehrwegangebotspflicht Genüge zu tun. Und auch das wird in Berlin nicht ansatzweise kontrolliert. Vermüllung und Ressourcenverschwendung stoppt die Mehrwegangebotspflicht allein noch nicht. Vielmehr ist ein finanzieller Anreiz nötig: Die Verursacher*innen des unnötigen Mülls müssen zur Kasse gebeten werden. Und ein kleiner Trost für alle, die aus Prinzip gegen Steuern sind: Hier ist Steuervermeidung – durch Mehrwegnutzung – ausdrücklich erwünscht. Perspektivisch soll sich die Einwegverpackungssteuer selbst abschaffen.

Studie zur Wirkung der Tübinger Einwegsteuer

Der BUND sammelt Unterschriften für eine Einwegverpackungssteuer in Berlin: www.berlin-plastikfrei.de

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2/2025.

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb