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Von Autobahn bis Zero Waste

26. August 2021 | Abfall, BUNDzeit-Artikel, Flächenschutz, Klimaschutz, Stadtentwicklung, Zero Waste, Autoverkehr, Fahrrad, Fußverkehr, Artenvielfalt, Bäume, Wasser, Stadtnatur

Wahl zum Abgeordnetenhaus: Worum es in den nächsten fünf Jahren in Berlin geht

Energie- und Klimapolitik
Kurz vor dem Ende der Legislaturperiode hat Rot-Rot-Grün Mitte Juni ein Solargesetz verabschiedet. Ab 2023 müssen 30 Prozent der Dachfläche bei Neubauten und Sanierungen mit Photovoltaikanlagen bestückt werden. Das wurde auch Zeit. Das angestrebte Ziel, „so schnell wie möglich“ ein Viertel des in Berlin verbrauchten Stroms mit Sonnenenergie zu erzeugen, ist so bald aber nicht in Sicht, denn es fehlen Anreize und Druck, auch den Bestand mit Solaranlagen auszurüsten. Hier wird der nächste Senat nachsteuern müssen. Das gilt auch für die energetische Sanierung der Wohngebäude mit sozialem Ausgleich und die Dekarbonisierung der Strom- und Wärmeerzeugung. Der Ausstieg aus der Steinkohleverbrennung bis 2030 ist zwar beschlossen, einen Ausstiegspfad für Öl- und Gaskraftwerke gibt es noch nicht. Müllverbrennung als Ersatz für Kohle, Öl und Gas kommt aber nicht in Frage, schließlich ist der Restmüll aufgrund seines hohen Kunststoffanteils auch ein fossiler Brennstoff.

Abfallpolitik
Damit Berlin 2045 klimaneutral werden kann, muss die Restmüllmenge von heute 215 Kilo pro Jahr und Kopf auf 150 im Jahr 2030 und 50 im Jahr 2045 reduziert werden. Dazu braucht es kostenlose Sperrmüllabholung, bezirkliche Abfallkonzepte, mehr Umweltbildung durch die BSR und eine Zero-Waste-Agentur. Wer Abfall vermeidet und gut trennt, soll bei den Mietnebenkosten belohnt werden. Damit Berlin nicht im Plastikmüll erstickt, fordert der BUND eine Verpackungssteuer auf alle Wegwerf-to-go-Produkte, aus deren Erlösen Mehrwegsysteme unterstützt werden. Statt Müllverbrennungskapazitäten auszuweiten, muss eine zweite emissionsarme Biogasanlage in Berlin gebaut werden; Bioabfälle sollen nur noch in geschlossenen Anlagen kompostiert werden. Weil die meisten Abfälle im Bausektor anfallen, muss die Bauordnung die Wiederverwendung von Materialien und den Einsatz von Sekundärrohstoffen zum Standard machen; öffentliche Bauvorhaben sollen Recyclingbeton und -gips nutzen. In ihren eigenen Einrichtungen soll die öffentliche Hand Zero-Waste-Vorbild werden, dazu muss sie die ökologischen Vergabekriterien endlich auch bei Anschaffungen von weniger als 10.000 Euro anwenden.

Mobilität
Bislang wollte Rot-Rot-Grün alles gleichzeitig machen: Radinfrastruktur ausbauen, Busse elektrifizieren, aber auch neue U-Bahn-Strecken und Straßen bauen. Der nächste Senat muss klimaschädliche Projekte (A 100, TVO, Ortsumfahrung Malchow, Avus-Verbreiterung) stoppen und sich auf das konzentrieren, was schnell und zuverlässig gegen Abgase, Lärm und Unfälle hilft: mehr Platz und sichere Wege für Zufußgehende und Radfahrende, Parkraumbewirtschaftung, Rückbau von überdimensionierten Straßen, Tempo 30 auf den Hauptstraßen, an denen es immer noch zu laut ist oder wo Radspuren fehlen. Und der Verbrennungsmotor? Der soll ein klares Verfallsdatum bekommen: spätestens 2030. Bis dahin muss nicht nur die BVG, sondern auch der restliche öffentliche Fuhrpark auf Elektroantrieb – und wo immer es geht auf Fahrräder – umgestellt werden. Dringend nötig ist ein beschleunigter Ausbau von Tram sowie Regional- und S-Bahn. Kontraproduktiv sind dagegen neue U-Bahn-Projekte: zu teuer, zu langwierig und leider mit einer miserablen Klimabilanz gesegnet, weil der Tunnelbau enorme Mengen Zement und Stahl fordert.

Naturschutz
Wohnungen oder Wiesen? Das Bedürfnis nach angemessener Behausung darf nicht gegen die „grüne Infrastruktur“ aus Kleingärten, Parks, Wäldern, Straßenbäumen, Friedhöfen, Ufern und wilden „Brachen“ ausgespielt werden – schließlich ist die Stadtnatur unentbehrlich für die menschliche Gesundheit, die Abkühlung in Hitzephasen, die Artenvielfalt, die Erholungs- und Freizeitaktivitäten der Menschen. Der BUND fordert vom nächsten Senat eine konsequente Null-Hektar-Neuversiegelungspolitik: Gebaut werden soll nur noch auf Flächen, die ohnehin schon versiegelt sind, etwa auf Parkplätzen und anstelle von Flachbauten wie Discountern und Baumärkten. Grüne Freiflächen sind dagegen tabu, das gilt auch für das Tempelhofer Feld, das neben CDU, FDP und AfD vor allem die SPD gern bebaut sehen würde. Viel zu wenig Beachtung fanden in letzter Zeit die Berliner Gewässer, die in keinem guten Zustand sind. Das muss sich gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie spätestens bis 2027 ändern. Um Moore, Wälder und Stadtbäume zu schützen, fordert der BUND verbindlich einzuhaltende Mindestgrundwasserstände.

Nachhaltigkeit
Von der Fußverkehrsstrategie bis zur Strategie für Biologische Vielfalt: Die Berliner Senatsverwaltungen haben in vielen Bereichen sinnvolle Konzepte aufgeschrieben. Was jetzt noch fehlt, ist eine Nachhaltigkeitsstrategie als große Klammer, der jedes neue Gesetz entsprechen muss. Sie ist in einem breiten Beteiligungsprozess zu erarbeiten und berücksichtigt die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung.

Mehr zur Abgeordnetenhauswahl 2021 im BUND-Blog unter www.umweltzoneberlin.de 

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 21-3. Mehr zum Schwerpunktthema Klimawahl 2021:

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