BUND Landesverband Berlin
Mitglied werden Jetzt spenden
BUND Landesverband Berlin

Zukunft nur mit drei U

12. Februar 2023 | Abfall, Artenvielfalt, Autoverkehr, Bauen, Bäume, BUNDzeit-Artikel, Flächenschutz, Grundwasser, Infrastruktur, Klimaschutz, ÖPNV, Stadtnatur, Verkehr, Wahlen

Wenn Berlin trotz Klimakrise und Artensterben eine funktionierende und lebenswerte Stadt bleiben soll, muss der nächste Senat vor allem drei Dinge tun: umdenken, umsetzen, umverteilen

Nach fünf Dürrejahren in Folge sind die ersten Konsequenzen der globalen Erwärmung längst im Berliner Stadtbild sichtbar: gelbe Grünanlagen, abgestorbene Jungbäume, ausgetrocknete Kleingewässer. Und das dürfte erst der Anfang sein. Was dagegen nirgendwo zu sehen ist: ein echtes Umdenken in der Berliner Politik. Nicht in der Verkehrspolitik, nicht in der Energiepolitik und schon gar nicht in der Baupolitik. Angesichts der sich überlagernden und gegenseitig verstärkenden Krisen müssen Politik und Verwaltung auf Landes- und Bezirksebene radikal umdenken und Klima- und Artenschutz zu den zentralen Handlungsfeldern der Stadt von morgen machen.

An Lösungsansätzen mangelt es nicht, es gibt sie in allen Sektoren. Doch selbst in den Fällen, in denen alle drei Parteien der bisherigen Koalition einer Meinung waren, ging es kaum voran. Dieses Defizit beim Umsetzen ist einer nur noch sehr bedingt handlungsfähigen Verwaltung geschuldet. Der neue Senat wird nicht umhinkommen, die Aufgabenteilung zwischen den Hauptverwaltungen untereinander, vor allem aber zwischen Landes- und Bezirksebene neu und eindeutig zu regeln. In den wichtigen Zukunftsfragen müssen die Verwaltungen so viel fachliche Kompetenz aufbauen, dass sie unabhängig entscheiden und auch Weisungen an die kommunalen Betriebe erteilen können. Nur dann lässt sich die bisherige Praxis beenden, dass die Berliner Stadtreinigung die Abfallpolitik und die Wasserbetriebe die Wasserpolitik bestimmen.

Ressourcen sind endlich. Das gilt auch für Boden und Natur. Statt immer mehr davon zu verbrauchen, müssen wir in Berlin die bestehenden Flächen umverteilen. Weniger Platz für fahrende und parkende Autos, mehr Platz für Bahnen und Busse, Radfahrende und Zufußgehende. Der Gebäudestand muss umgebaut, umgenutzt und aufgestockt werden, um mehr Wohnfläche ohne weitere Flächeninanspruchnahme schaffen zu können. Die Netto-null-Neuversieglung – also die Regel, dass für jeden Quadratmeter neuversiegelter Boden ein Quadratmeter entsiegelt wird – muss in der Innenstadt 2025 und berlinweit spätestens 2030 Realität werden. Sozial gerecht umverteilt gehören auch die Lasten steigender Energiekosten. Damit die energetische Sanierung des Gebäudebestands endlich Fahrt aufnimmt, sollen Immobilieneigentümer*innen und Haushalte je nach Leistungsfähigkeit einen angemessenen Anteil an den Umbaukosten tragen, während die öffentliche Hand effektive, verlässliche und sozial ausgewogene Förderprogramme auflegt.

Die dringendsten Maßnahmen

Ganz egal, wie die nächste Regierungskoalition zusammengesetzt ist, sie muss aus Sicht des BUND umgehend beginnen, die folgenden Maßnahmen umzusetzen.

Netto-null-Neuversiegelung: Der Flächenverbrauchmuss so schnell wie möglich gestoppt werden. Berlins grüne Infrastruktur aus Kleingärten, Friedhöfen, Landwirtschafts- und Brachflächen darf nicht dem Baufieber zum Opfer fallen.

Bauordnung: Die überfällige Novelle der Bauordnung hat sich am Klima- und Artenschutz zu orientieren.

Baumschutzverordnung: Muss zügig verschärft werden. Da es sich um eine sogenannte Senatorenverordnung handelt, muss kein Konsens im Senat herrschen.

Wasser: Bedingt durch seine Lage in einer der trockensten Regionen Deutschlands muss Berlin seine nasse Ressource umfassend und unverzüglich schützen. Das bedeutet Mindestgrundwasserstände definieren, die Entsiegelung stadtweit vorantreiben und ökologische Vorrangflächen wiedervernässen. Weil allzu häufig Trinkwasser zu Zwecken genutzt wird, die nichts mit Trinken, Kochen und Waschen zu tun haben, muss sein Verbrauch durch eine entsprechende Preisgestaltung gelenkt werden. Die dezentrale Grauwassernutzung und alle Versickerungspotenziale gilt es auszuschöpfen – vom Dach bis zur Straßenebene.

Vergärung statt Verbrennung: Die Berliner Stadtreinigung soll umgehend eine zweite moderne Biogasanlage für den Abfall aus der Biotonne errichten. Neue Verbrennungskapazitäten für Sperrmüll und Restmüll soll sie dagegen nicht aufbauen dürfen, solche Abfälle gilt es schließlich drastisch zu reduzieren.

Energie- und Abfallberatung: Alle Berliner*innen sollen in ihren Kiezen Angebote für Abfall- und Energieberatungen erhalten. Dazu braucht es dauerhafte Strukturen und Finanzierung. In ganz Berlin sollen Gastronom*innen Unterstützung bei der Einführung von Mehrwegangeboten beim Take-away bekommen.

Wärmewende: Ebenso wichtig wie die Umstellung auf klimaneutrale Wärmequellen ist die drastische Reduzierung des Energiebedarfs durch Sanierung des Gebäudebestands. Das gilt auch für die besonders energieintensiven Krankenhäuser. Die Wärmeplanung und der klimafreundliche Betrieb der Netze sind demokratisch legitimierte Hoheitsaufgaben, die der Grundversorgung dienen.

Erneuerbare Energien: Der nächste Senat muss unverzüglich die Installation von Photovoltaik- und Windkraftanlagen in Berlin forcieren – naturschutzkonform und im Stadtbild sichtbar. Auch geothermische Anlagen, Wärmepumpen und Speichertechnologien sollen so schnell wie möglich fossile Erzeugungsanlagen verdrängen.

Kein Straßenneubau: Neue Asphaltpisten wie die verlängerte A 100 oder die Tangentiale Verbindung Ost (TVO) vertragen sich nicht mit Klimaschutz und Mobilitätswende und dürfen daher nicht weiterverfolgt werden.

Straßenbahn: Der zügige Ausbau des Tramnetzes muss oberste Priorität bekommen, dabei könnte eine zentrale Koordinierungsstelle für Beschleunigung sorgen. Weil er lange dauert, viel Geld kostet und eine ungünstige Klimabilanz aufweist, ist der U-Bahnausbau dagegen kein sinnvoller Beitrag zur Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs.

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb