Angesichts der beunruhigenden Signale von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) muss sich die Berliner schwarz-rote Koalition mit aller Kraft für die auskömmliche Finanzierung des Deutschlandtickets einsetzen. Gerade beim Pendelverkehr über Stadt- oder Bundeslandgrenzen hinweg kann diese Öffi-Flatrate einen deutlichen Beitrag für den Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel leisten. Es darf in der Klimakrise keine Einsparungen beim Angebot des Nahverkehrs und dessen dringend nötigen Ausbau geben. Gleichzeitig müssen Senat und Regierungsfraktionen sich endlich an die Weiterentwicklung des D-Tickets mit zielgruppenspezifischen Angeboten machen. Denn während viele andere Bundesländer oder Landkreise inzwischen eine Reihe preisreduzierter Angebote auf Basis des Deutschlandtickets auf die Beine gestellt haben, herrscht in Berlin in diesem Bereich weiter Stillstand.
Formal wird weiterhin die Einführung des von der SPD im Wahlkampf propagierten, nur im Berliner Stadtgebiet gültigen Monatstickets für 29 Euro in Aussicht gestellt. Doch konkret ist auf dem Weg dahin bisher wenig bis gar nichts passiert, wie Antworten der zuständigen Senatsverwaltungen auf diverse schriftliche und mündliche parlamentarische Anfragen ergeben haben. Insbesondere ist auf Seite der Brandenburger Partner im gemeinsamen Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg weiterhin kaum Bereitschaft zu erkennen, den niedrigen Sondertarif nur für das Berliner Stadtgebiet akzeptieren zu wollen.
Für das SPD-Konzept eines nur im Berliner Stadtgebiet gültigen Monatstickets zum Preis von 29 Euro wird laut der aktuellen Antwort der Verkehrsverwaltung auf eine Schriftliche Anfrage von jährlichen Kosten von 250 bis 335 Millionen Euro für das Land Berlin ausgegangen. Diese fallen zusätzlich zum mit dem BUND ausgehandelten Landesanteil von knapp 136 Millionen Euro für das D-Ticket an. Auf 29 Euro rabattierte Deutschlandtickets für Studierende, Azubis, Schüler*innen und Sozialticketempfänger*innen würden demnach einen jährlichen Zuschussbedarf des Landes Berlin zwischen 27 und 50 Millionen Euro erfordern.
Dazu erklärt Tilmann Heuser, Geschäftsführer des BUND Berlin: „Das 29-Euro-Ticket für den Tarifbereich Berlin AB ist offensichtlich ein sozial- und haushaltspolitischer Irrweg. Angesichts des Widerstands aus Brandenburg ist er auch kaum umsetzbar, ohne den gemeinsamen Verkehrsverbund zu sprengen. Schon jetzt kostet das Deutschlandticket als Jobticket Beschäftigte nur maximal 34,30 Euro monatlich. Zugleich blockiert das Festhalten an der 29-Euro-Ticket-für-Alle-Idee der SPD die zügige Umsetzung von wirksamen Entlastungen für Menschen mit geringen Einkommen, während andere Bundesländer hier längst vorangegangen sind."
"Das Augenmerk der Berliner Landespolitik muss daher vor allem auf einer sozial ausgewogenen Tarifgestaltung liegen. Wenn dabei auch noch bereits eingeplante Haushaltsmittel in dreistelliger Millionenhöhe freiwerden, können diese den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur sowie des Straßenbahnnetzes beschleunigen. Denn attraktive Nahverkehrstarife sind nur ein Baustein der Mobilitätswende. Bei den Alternativen zum Auto muss vor allem das Angebot stimmen", so Tilmann Heuser weiter.
Der BUND Berlin setzt sich bereits seit dem vergangenem Jahr für ein sozial ausgewogenes Preiskonzept im ÖPNV auf Landesebene ein und hat zum Jahresanfang 2023 ein ausführliches Papier dazu veröffentlicht. Zahlreiche Bundesländer und Kommunen haben sich für ein solches Vorgehen entschieden.
Die Auswirkungen des Berliner Stillstands bei der Weiterentwicklung der Tarife macht sich bereits bemerkbar. An der Technischen Universität, der Universität der Künste und der Hochschule für Technik und Wirtschaft werden die Semesterticket-Verträge für über 50.000 Studierende nicht weitergeführt.
In Hamburg ist ein umfassendes Tarifkonzept auf Basis des Deutschlandtickets eingeführt worden. Das Sozial- und Schüler*innenticket kostet monatlich 19 Euro, das Azubiticket 29 Euro. Der Hamburger Senat rechnet dafür im Jahr 2024 mit einem Zuschussbedarf von 42,3 Millionen Euro.
Rabattierte Deutschlandtickets für Azubis, Studierende, Schüler*innen, Menschen mit geringem Einkommen oder Senior*innen gibt es inzwischen außerdem landesweit in Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Viele Landkreise geben das Schüler*innenticket auf Basis des Deutschlandtickets aus, darunter in Brandenburg die Kreise Oberhavel für 9 Euro monatlich und Ostprignitz-Ruppin sogar kostenlos. Viele Kommunen bundesweit bieten erheblich rabattierte D-Tickets als Sozialtickets an.
Kontakt:
Tilmann Heuser, Geschäftsführer BUND Berlin, heuser(at)bund-berlin.de