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Deutschland Ticket bezahlbar für Alle statt Insellösungen für Berlin

30. Januar 2023 | Verkehr, ÖPNV, Gesellschaft

BUND Berlin fordert Konzept für sozial orientierte Preisrabatte auf Deutschlandtickets in Berlin

Logo des Deutschlandtickets

++ Berliner Azubis, Studierende, Seniorinnen, ALG-I-Beziehende, gering verdienende Selbstständige sollen maximal 24,50 Euro monatlich für das Deutschlandticket zahlen, Beziehende von Bürgergeld und Grundsicherung maximal 9 Euro, Schüler:innen weiter null Euro

++ Beschäftigte mit mittleren und hohen Einkommen müssen bei Entgeltumwandlung schon bei einem Deutschlandticket-Preis von 49 Euro netto im schlechtesten Fall maximal 30 Euro zahlen

++ Insellösungen wie ein Berlin-AB-Ticket für 29 Euro konterkarieren die Vorteile des Deutschlandtickets bei jährlichen Kosten im dreistelligen Millionenbereich. Als Gießkannenförderung sind sie sozial ungerecht

Info 06/30.01.23: Zum 1. Mai soll die Tarifrevolution im Öffentlichen Personennahverkehr starten. Mit dem bundesweit gültigen Deutschlandticket für 49 Euro monatlich sinken nicht nur für einen Großteil der Monatsabo-Besitzer:innen in Berlin und Brandenburg die monatlichen Fahrpreise. Sie kommen auch in den Genuss der neuen Freiheit einer ÖPNV-Flatrate: ohne weiter nachdenken zu müssen und ohne Zusatzkosten bundesweit jegliches Nahverkehrsmittel nutzen zu können. Der ÖPNV könne damit nach Einschätzung des Berliner Landesverbandes des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Berlin) endlich seine Systemvorteile als kollektives Verkehrsmittel ausspielen und wird zumindest preislich endgültig zur unschlagbaren Alternative zum privaten PKW. Damit im Zuge einer klimagerechten und umweltgerechten Mobilitätspolitik der Umstieg vom Auto auf den ÖPNV erleichtert wird, bedürfe es jedoch gleichzeitig gezielter Investitionen in den Ausbau und die Verbesserung der Angebote des Nahverkehrs.

Schon aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit ist es nach Ansicht des Umweltverbandes zudem zwingend geboten, preisreduzierte Deutschlandtickets für spezifische Zielgruppen wie Schüler:innen, Studierende, Senior:innen, Azubis und Transferleistungsbeziehende anzubieten.

Tilmann Heuser, Landesgeschäftsführer des BUND Berlin: „Von der bundesweiten Tarifrevolution im Nahverkehr müssen alle etwas haben. Auch Sozial-, Semester-, Schüler:innen-, Azubi- und Senior:innentickets müssen die Funktionalität des Deutschlandtickets zu sozial gestaffelten Preisen nutzen können. Ansonsten können Menschen mit geringen Einkommen sowie geringer Zahl von ÖPNV-Fahrten pro Monat nicht vom Deutschlandticket profitieren. “

Der Berliner Senat müsse sich daher in den Verhandlungen mit Bund und Ländern dafür einsetzen, dass Länder und Städte preisreduzierte Deutschlandtickets für definierte Zielgruppen anbieten können. Ziel müsse es sein, dass auch bei bundesweiter Gültigkeit der Tickets die heutigen Zeitkartenpreise für den Tarifbereich Berlin AB zumindest gehalten, teilweise aber auch abgesenkt werden können. Dies würde es ermöglichen, zum einen die soziale Teilhabe finanzschwächerer Bevölkerungsgruppen zu sichern, zum anderen gezielte Angebote für Senior:innen anzubieten, die insgesamt weniger unterwegs sind.

Konkret schlägt der BUND Berlin für Berlin drei Grundpreise für die unterschiedlichen Zielgruppen vor. Studierende, Azubis und Senior:innen, Beziehende von Elterngeld, Krankengeld und Arbeitslosengeld 1 sowie Selbstständige mit geringem Einkommen sollen maximal 24,50 Euro monatlich für die ÖPNV-Flatrate zahlen müssen. Für das Berlin-Ticket S soll es beim derzeitigen Preis von 9 Euro pro Monat bleibt. Ebenso soll das Schüler:innenticket kostenfrei für die Nutzenden bleiben.

„Neben gezielten Zuschüssen für die Tickets für die genannten Bevölkerungsgruppen setzen wir auch darauf, dass kaufmännisch unterschiedliche Preise für spezifische Tickets kalkuliert werden. Das im gesamten VBB-Tarifgebiet gültige Abo 65 plus kostet beispielsweise schon jetzt ohne zusätzliche Landesmittel nur 52 Euro monatlich, während das reguläre Abo für das Gesamtnetz 178 Euro pro Monat kostet“, erläutert Tilmann Heuser. „Für das kostenlose Schülerticket muss das Land Berlin derzeit umgerechnet nur 11,50 Euro pro Monat an die Verkehrsunternehmen zahlen“. Problematischer stellt sich für eine gezielte Preisreduktionen die Situation im ländlichen Raum dar, wo der Ausbildungsverkehr oft rund 80 Prozent der Fahrgäste darstellt.

Basis für solche Preiskalkulationen sind Annahmen und Erhebungen zu Fahrtenhäufigkeit und Zahlungsbereitschaft, beziehungsweise Zahlungsfähigkeit spezifischer Zielgruppen. Wie bei anderen Infrastrukturen hat auch der ÖPNV einen hohen Fixkostenblock. Bei bestehendem Angebot verursachen zusätzliche Fahrgäste keine Zusatzkosten, solange das Angebot z.B. zu Hauptverkehrszeiten nicht ausgeweitet werden muss. Denn ob in einem Stadtbus mit einer Kapazität von 70 Personen nun 20 oder 50 Personen mitfahren hat allenfalls marginale Unterschiede bei den Treibstoffkosten zur Folge. Insofern hält der BUND Berlin auch die Einnahmeausfälle bei Verkehrsunternehmen durch die bundesweite Gültigkeit des Deutschlandtickets für verkraftbar - mit Ausnahme von Gebieten und Strecken mit hoher Freizeit- und Tourismusnutzung, für die entsprechende Ausgleichszahlungen notwendig seien.

Die von der SPD Berlin vorgeschlagene Fortführung eines eigenständigen 29-Euro-Tickets für den Tarifbereich AB für alle Berlinerinnen und Berlin mit Gesamtkosten von mehreren hundert Millionen Euro hält der BUND Berlin dagegen zwar gut gemeint, aber nicht mal im Ansatz durchdacht und durchkalkuliert.

Tilmann Heuser: „Das von den Verkehrsministern am Freitag beschlossenen rabattierte Firmenticket kostet Beschäftige nach Abzug eines verpflichtenden steuerfreien Arbeitgebenden-Zuschusses von 25 Prozent nur noch 34,30 Euro. Nutzen die Tarifpartner bei Gehaltsverhandlungen zudem die Gestaltungsmöglichkeiten für ein steuerfreies Jobticket, kostet es Arbeitnehmende sogar netto meist weniger als 30 Euro, in vielen Fällen sogar unter 20 Euro –im Vergleich zu einer Auszahlung des Ticketwertes als zu versteuerndes Gehalt. Für Arbeitgebende kostet der Zuschuss zum Firmenticket dann weniger als fünf Euro, machbar ist aber auch eine kostenneutrale steuerliche Gestaltung für die Unternehmen.“

Statt eines isolierten Monats-Tickets für Berlin AB mit hohen Kosten für das Land sei daher eine gezielte Beratungskampagne von Verkehrsbetrieben, Senat, Unternehmensverbänden, Gewerkschaften, Umwelt- und Fahrgastverbänden sinnvoll, damit alle Beschäftigten von den Preisvorteilen eines steuerreduzierten Firmentickets profitieren können. Gefragt seien zudem die Tarifpartner, die das Firmenticket als steuerfreien Gehaltsbaustein in den Tarifverträgen verankern können.

Tilmann Heuser: „Statt knappe Landesmittel für ein 29-Euro-Ticket per Gießkannenprinzip versickern zu lassen, setzen wir als BUND auf gezielte Unterstützung einkommensschwacher Gruppen, eine insgesamt attraktive Preisgestaltung auch für Einzel- und Tagestickets sowie Investitionen in den Ausbau des ÖPNV. Denn nur eine zielorientierte Politik kann Umwelt, Klima und die Straßen vom Autoverkehr entlasten.“

Eine ausführliche Darstellung der Vorschläge des BUND Berlin finden Sie im BUND Diskussionspapier „Deutschlandticket bezahlbar für Alle statt Berliner Insellösungen“. In diesem erläutern wir auch die steuer- und abgabenrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten bei Jobtickets.

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