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„Es lohnt sich immer“

André Butz, geboren 1963, ist geschäftsführender Gesellschafter der B.&S.U. Beratungs- und Service-Gesellschaft Umwelt mbH (Berlin und Bonn). Er studierte Technischen Umweltschutz (Dipl.-Ing.) an der Technischen Universität Berlin. Schwerpunkte seiner Arbeit sind kommunale und gewerbliche Klimaschutz- und Energiekonzepte und die Begutachtung energieeffizienter Sanierungsmaßnahmen kommunaler Gebäude wie Schulen und Kindertagesstätten.

André Butz von der B.&S.U. Beratungs- und Service-Gesellschaft Umwelt mbH über energiesparende Kommunen

Herr Butz, Sie haben ein Energiesparkonzept für den Kiez am Klausenerplatz in Charlottenburg vorgelegt. Zwischen Spandauer Damm, Sophie-Charlotte-Straße, Knobelsdorffstraße und Schloßstraße wohnen etwa 9.000 Menschen in rund 4.500 Wohnungen. Ist die Einheit nicht zu klein, um Schlüsse abzuleiten?

Nein. Bisher gab es noch nie ein Konzept für eine so kleine Einheit. Die Ergebnisse werden aber auf andere Altbauquartiere übertragbar sein. Dieser Kiez wurde ausgewählt, weil dort sehr viel bürgerschaftliches Engagement vorhanden ist. Einige private Hauseigentümer haben angefangen, Solaranlagen auf die Dächer zu stellen. Außerdem gehört die Hälfte der Wohnungen der landeseigenen Gewobag, das macht vieles leichter.

Was können die Berliner Bezirke trotz leerer Kassen tun, um einen Beitrag zur energetischen Sanierung zu leisten?


Wie alle anderen Kommunen können sie Sanierungsmaßnahmen von einem der Bundesprogramme fördern lassen. Im Klausenerplatzkiez gibt es die Überlegung, mit der Nehring- beziehungsweise Jordan-Schule das einzige kommunale Gebäude im Gebiet an die Fernwärme anzuschließen. Bislang ist der Kiez nicht angeschlossen, obwohl dort zwei Fernwärmetrassen liegen. Auch die Gewobag prüft, ob sie in ein paar ihrer Gebäude, deren Heizzentralen ohnehin saniert werden sollen, an das Netz anzuschließen.

Lohnt es sich, einzelne Gebäude an die Fernwärme anzuschließen?

Im Rahmen eines kommunalen Klimaschutzkonzepts können wir nicht für jedes Haus sagen, ob es sich lohnt. Man muss prüfen, welche Leitungen liegen wo, welche Leistung ist vorhanden, wie ist der Wärmebedarf, bei welchen Gebäuden eignet sich Solarthermie nicht nur für Warmwasser, sondern auch für Heizzwecke. Dazu muss man zuerst alle Privateigentümer an einen Tisch bringen. Das ist immer das Schwierigste.

Welche Strategien gibt es zur Einbindung der privaten Hauseigentümer?

Man wartet nicht, bis jemand zur Beratung kommt, sondern geht auf die Hauseigentümer zu. Am besten ist es natürlich, wenn auch die Mieter dabei sind. Schließlich kommt immer der Einwand, dass das alles unglaublich teuer wird und die Mieten steigen. Wer gegen Effizienzsteigerung bei der Heizung ist, muss sich schon fragen lassen, ob er lieber mehr Betriebskosten zahlen möchte.

Welche Vorteile haben Mieter abgesehen von dem abstrakten Klimanutzen und den Einsparungen bei den Heizkosten noch, wenn ihre Wohnung energetisch saniert wird?

Das Wohnklima verbessert sich, eine Dämmung kombiniert mit richtigem Lüften löst Schimmelprobleme. Aber neben der Sanierung gibt es viele „weiche“ Maßnahmen, die auf Verhaltensänderung setzen und viel CO2 einsparen. Warum nicht einmal im Monat einen vegetarischen Tag machen? Dass die Fleischproduktion mehr CO2 freisetzt als der  Gemüseanbau, wissen viele Menschen, übersetzen es aber nicht in ihr Alltagsverhalten. Manche Kommunen denken sich pfiffige Wettbewerbe aus. In Tübingen konnten die Leute alte Glühbirnen gegen Energiesparlampen eintauschen. In Berlin belohnen einige Schulen die Schüler für das Stromsparen: Wenn sie darauf achten, dass Licht sparsam eingesetzt wird, gibt es etwas mehr Geld für den nächsten Ausflug. Gewissermaßen Contracting auf niedrigem Niveau.

Wobei „harte“ Maßnahmen den Vorteil haben, dass man sich auf den Erfolg verlassen kann.

Stimmt, die Hälfte der Energie in Deutschland wird verheizt, hier muss man etwas machen. In jeder Kommune sind andere Maßnahmen sinnvoll. Manchmal gibt es ein Fernwärmenetz, das verdichtet wird. Und in Neubaugebieten kann man über die Bauleitplanung sehr viel vorgeben, zum Beispiel Wärmeproduktion durch Geothermie oder erneuerbare Energien – das muss im Neubau nicht teurer sein als die konventionelle Lösung. Und langfristig lohnt es sich.

Lohnt sich auch nach der Kürzung der Solarförderung Photovoltaik auf jedem Berliner Dach?

Es lohnt sich immer! Die fossilen Brennstoffe werden weniger, der peak ist überschritten. Und wenn man seinen Energiebedarf nicht reduzieren will, muss man ihn eben mit erneuerbaren Energien decken. Unabhängig von der Höhe der Förderung.

Was sagen Sie dem Investor, der auf Gewinn aus ist?

Dass immer mehr Mieter und Wohnungskäufer auf Nachhaltigkeit, zum Beispiel erneuerbare Energien, Wert legen. Immobilien, die nicht entsprechend ausgerüstet sind, werden sich nicht mehr so gut vermarkten lassen.

Brauchen wir auch Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel?

Ja, es wird beispielsweise mehr Starkregen geben. Um zu verhindern, dass die Kanalisation über und die ungeklärten Abwässer in die Flüsse laufen, brauchen wir mehr unversiegelte Flächen. Weil es wärmer wird, brauchen wir mehr Begrünung, auch Fassadenbegrünung. Im Klausenerplatzkiez wurde überlegt, Straßen versuchsweise hell zu streichen, um Sonnenstrahlung besser zu reflektieren. Wichtig ist auch die Durchlüftung sowohl einzelner Höfe als auch ganzer Straßenzüge.

Das Interview erschien in der BUNDzeit 2012-2.

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