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Verschmutzte Gewässer – wenn die Kanalisation überläuft

Hätten Sie's gedacht? An bis zu 60 Tagen im Jahr läuft die Kanalisation so voll, dass ein Teil des Schmutzwassers direkt und ungeklärt in unsere Oberflächengewässer eingeleitet wird. Dieser Vorgang wird als Mischwasserüberlauf bezeichnet und hat fatale Auswikungen für Mensch und Umwelt.

Fischsterben durch Sauerstoffmangel infolge von Überläufen aus der Kanalisation  (Dr. Achim Förster)

Der Grund dafür, dass die Kanalisation an bis zu 60 Tagen im Jahr überläuft und damit unsere Gewässer verschmutzt, sind die vielen versiegelten (zubetonierten und bebauten) Flächen in der Stadt, in die Regenwasser nicht mehr einsickern kann. Entgegen des natürlichen Wasserkreislaufes, bei dem Niederschlag fällt, im Boden versickert und das Grundwasser anreichert, fließt der Regen auf versiegelten und oft verunreinigten Flächen oberflächlich ab und landet über die Gullys in der Kanalisation. Regnet es in kurzer Zeit sehr viel, reicht das Fassungsvermögen der Kanalisation nicht mehr aus. Sie wird zum Überlaufen gebracht, in dem Abwasser ungeklärt in die Oberflächengewässer eingeleitet wird.

Das Abwasser setzt sich einerseits aus Schmutzwasser (z.B. häuslichen Abwässern aus der Toilette, Küche, Wasch- und Spülmaschine) und andererseits aus Regenwasser, das von Dächern, Straßen, Gehwegen und öffentlichen Plätzen abfließt, zusammen. Auf seinem Weg in die Kanalisation nimmt auch das Regenwasser viele Schadstoffe wie Autoreifenabrieb und Hundekot auf.

Aus den drei Öffnungen gelangt bei Starkregen Abwasser aus der Kanalisation ungefiltert in die Spree.  (Ralf Steeg)

Von den Überläufen aus der Kanalisation sind u. a. der Landwehrkanal, der Neuköllner Schifffahrtskanal und Teile der Stadtspree betroffen. Diese und weitere Gewässer nehmen zusammen jährlich zwischen 2,1 bis maximal 7,5 Millionen Kubikmeter Schmutzwasser1 auf.

Das hat fatale Folgen für die Umwelt aber auch für uns Menschen, die wir Ihnen nachfolgend gerne aufzeigen möchten:

Auswirkungen auf unsere Gesundheit

  • Die Schadstoffe können über die Spree zur Unterhavel transportiert werden, wo die Wasserwerke Tiefwerder, Kladow und Beelitzhof vor allem aus dem Uferfiltrat Trinkwasser für die Berliner Bevölkerung gewinnen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Schadstoffe in das Rohwasser für die Trinkwassergewinnung gelangen und es verunreinigen.2
  • Der dramatische Anstieg von Krankheitserregern beeinträchtigt auch die öffentlichen Badestellen wie die Kleine Badeweise an der Unterhavel. Das Landesamt für Gesundheit rät generell nach Starkregen davon ab, Berlins Badestellen aufzusuchen und musste in der Vergangenheit immer wieder Badeverbote aussprechen.

Auswirkungen auf die Biodiversität

  • Das ungeklärte Abwasser enthält viele Schadstoffe wie Mikroplastik, Biozide, Röntgenkontrastmittel, Metabolite, Transformationsprodukte, Arzneimittel- und Renovierungsrückstände, die in die Nahrungskette der Wasserlebewesen gelangen.
  • Die Stoffe im Abwasser regen das Wachstum nährstoffunempfindlicher Algen im Gewässer an. Diese vermehren sich so stark, dass sie anderen Wasserpflanzen das Licht nehmen. Diese sterben ab oder entwickeln sich gar nicht erst.
  • Nach kurzer Zeit sterben auch die Algenmassen ab und sinken auf den Boden der Gewässer, wo sie von Bakterien, Pilzen und Tieren abgebaut werden (Saprobie). Bei diesem Vorgang wird so viel Sauerstoff verbraucht, dass Fische aber auch heimische Großmuschelarten massenhaft ersticken. Der Landwehrkanal, der Neuköllner Schifffahrtskanal und Teile der Stadtspree werden so zu einem lebensfeindlichen Ort.
  • Mehr als 75% der Amphibien und Armleuchteralgen und über ein Drittel der Wasserkäfer, Fische und Muscheln stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten.3 Die Mischwasserüberläufe tragen dazu bei.
  • Jede Einleitung in Berlin "endet" in der Nordsee. Gerade langlebige und giftige Stoffe, zu denen u. a. Biozide, Schwermetalle und Pestizide gehören, können über weite Strecken transportiert und sich dort im Gewebe von Gewässertieren ansammeln und über die Fischerei so auch in unseren Magen gelangen.

Finanzielle Auswirkungen

  • Um die Gewässer mit einem Sauerstoffboot künstlich zu belüften, hat Berlin seit 1995 11,7 Millionen Euro ausgegeben.

Berlin ist v. a. nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) längst dazu verpflichtet, die Überläufe zu verhindern. Dazu müsste die Stadt Flächen konsequent entsiegeln, damit Regenwasser in den Boden einsickern kann. Dadurch wird das Grundwasser angereichert und die Kanalisation entlastet. Ein gutes Vorbild ist hier New York. Auch müssen die Anstrengungen verstärkt werden, um Abwasser in sogenannten Regenüberlaufbecken zwischenzuspeichern und danach in die Klärwerke abzuleiten.

Es ist unbestritten, dass mit der Umsetzung des Gewässergütebauprogramms der Berliner Wasserbetriebe in den vergangenen Jahren Fortschritte bei der Reduzierung der Mischwasserüberläufe erzielt wurden. Auch ist es ein Schritt in die richtige Richtung, dass das bisherige Programm durch ein weiteres Projekt ergänzt werden soll. Die Maßnahmen reichen aber bei weitem nicht aus, um die Überläufe ganz zu verhindern.

Berlin möchte mithilfe dieser Programme die Überläufe auf max. 10 Tage im Jahr begrenzen.4 Dabei lässt der Senat jedoch offen, bis wann dieses Ziel erreicht werden soll. Darüber hinaus bleibt die Regierung hinter den Anforderungen der WRRL zurück und schadet damit nicht nur unserer Umwelt und Gesundheit, sondern riskiert auch rechtliche Konsequenzen durch nicht Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, was Berlin teuer zu stehen kommen könnte.

 

Autor*innen: Ralf Steeg, Christian Schweer, Dr. Richard Karty, Petra Werner und Verena Fehlenberg

 

Quellen:

1 Betrachtungszeitraum: 2007 bis 2017; SenStadt, 2018: https://www.berlin.de/umweltatlas/_assets/wasser/regen-und-abwasser/de-texte/kd209.docx

2 Aktuelle Daten zur Belastung des Uferfiltrats liegen in Berlin zumindest nicht öffentlich vor.  Lt. LAWA-Bericht zu Mikroschadstoffen in Gewässern sind die genannten Stoffe „aufgrund ihrer vielfach hohen Polarität in der Trinkwasseraufbereitung nur schwer zu entfernen und können daher bis in das Trinkwasser gelangen. Ein erhöhtes Eintragsrisiko besteht dort, wo Oberflächenwasser für die Grundwasseranreicherung genutzt wird und wo dieses angereicherte Grundwasser bzw. Uferfiltrat als Rohwasser für die Trinkwassergewinnung verwendet wird.“ S. 23. Bericht abrufbar unter: 20160126_lawa_bericht_mikroschadstoffe_in-gewaessern_final_1555580704.pdf

3 https://www.berlin.de/sen/uvk/natur-und-gruen/naturschutz/artenschutz/artenlisten-rote-listen/

4 Ergänzender Länderbericht Berlins zur Aktualisierung des Bewirtschaftungsplans und des Maßnahmenprogramms der Flussgebietsgemeinschaft Elbe für den Zeitraum 2022-2027 - Entwurf: www.berlin.de/sen/uvk/umwelt/wasser-und-geologie/europaeische-wasserrahmenrichtlinie/ueberregional/oeffentlichkeitsbeteiligung/

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