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Verschwinden die Alleen?

03. Mai 2022 | Artenvielfalt, Bäume, BUNDzeit-Artikel

Immer weniger Bäume säumen die Straßen in Brandenburg, weil die Behörden einem fragwürdigen Regelwerk folgen und kaum mehr Ersatz für gefällte Alleebäume pflanzen. Der BUND fordert Nachpflanzungen im Verhältnis 1:1.

In einer eintönigen Agrarwüste der einzige Ort für Artenvielfalt: Eichen-Allee in Seedorf bei Lenzen (Prignitz), Platz eins des BUND-Fotowettbewerbs „Allee des Jahres 2020“. Foto: Anja Möller

Brandenburg ist das alleenreichste Bundesland – noch. Denn der Baumbestand geht stark zurück. Gab es im Jahr 2008 noch 2.300 Kilometer Alleen, so waren es 2020 nur noch 1.700. Wenn sich dieser Trend ungebremst fortsetzt, erreicht Brandenburg im Jahr 2056 die Marke von null Kilometer. Die Differenz zwischen gefällten und nachgepflanzten Alleebäumen schwankt zwar von Jahr zu Jahr, vergrößert sich aber im Mittel. Den bisherigen Tiefpunkt gab es im Jahr 2019 zu verzeichnen, als 1.078 neu gepflanzte auf 5.238 gefällte Alleebäume kamen.

90 Prozent der Fällungen finden statt, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Ob das wirklich nötig ist, bleibt in vielen Fällen unklar, denn die Fällgenehmigung erteilt keine unabhängige Institution, sondern bei den häufig betroffenen Bundes- und Landesstraßen der Landesbetrieb Straßenwesen. Dieser hat aus Effizienzgründen ein Interesse daran, möglichst viele ältere Bäume vorbeugend zu entfernen. Lange Zeit erschwerten es die Behörden den Vertreter*innen von BUND und anderen Naturschutzverbänden, bei den Vor- Ort-Terminen dabei zu sein. 90 Prozent sicherheitsbedingte Fällungen bedeutet aber auch, dass immerhin jeder zehnte gefällte Alleebaum der Säge zum Opfer fällt, obwohl er kein Risiko für die Verkehrsteilnehmenden darstellt. Für dieses Zehntel des Baumverlusts sind in der Regel Baumaßnahmen verantwortlich, zum Beispiel Straßenverbreiterungen.

Dass die Neupflanzungen so weit hinter dem vom Land gesteckten Ziel von 30 Alleekilometer beziehungsweise rund 5.000 Bäumen pro Jahr zurückbleibt, hat ausnahmsweise weder mit Geld- noch mit Fachkräftemangel zu tun. Vielmehr fehlen die Flächen. Neue Alleebäume lassen die Behörden nur mit einem Abstand von 4,5 Meter zum Fahrbahnrand pflanzen. Weitere zwei Meter soll ein Pufferstreifen zwischen Baum und angrenzender Landschaft einnehmen. An den Bundes- und Landesstraßen gehören Brandenburg aber nur Randstreifen von zwei bis vier Meter Breite; Neupflanzungen setzen daher Grunderwerb voraus.

Ideologiegetriebene Richtlinien

Weiteres Problem der 4,5-Meter-Regel: Wenn die Bäume ausgewachsen sind, berühren sich die Kronen nicht mehr über der Straße, der für die Alleen charakteristische grüne Tunnel ist damit Geschichte. Was hat es mit dieser Regel auf sich, die faktisch zum schleichenden Tod der Alleen führt? Obwohl sich alle Straßenbaubehörden der Bundesrepublik an sie halten, ist sie nicht gesetzlich normiert. Sie stammt vielmehr aus den „Richtlinien für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug- Rückhaltesyteme“ (kurz RPS 2009), die die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) formuliert hat. Diesen Zusammenschluss von Fachleuten der Straßenbaubranche vergleichen Kritiker*innen gern mit der Fifa, weil er ohne jede demokratische Legitimation weitreichende Regeln aufstellt, die die Allgemeinheit betreffen.

Der ideologische Überbau der 4,5-Meter-Regel in den RPS 2009 ist der Vorrang des schnellen Autofahrens vor dem Naturschutz. Denn im Grunde stellen Alleebäume mit geringerem Abstand zur Fahrbahn kein besonderes Risiko dar – vorausgesetzt, die Autofahrenden passen ihre Geschwindigkeit so an, dass ein Aufprall an den Bäumen ausgeschlossen ist. Das lässt sich durch Tempolimits regeln. Der BUND fordert daher, die RPS 2009 nicht länger über Grundgesetz und Landesverfassung zu stellen, die den Umweltschutz als Staatsziel vorsehen, sondern wieder fahrbahnnahe Nachpflanzungen zuzulassen. Unter dieser Voraussetzung ist es möglich, jeden gefällten Baum durch einen neuen zu ersetzen und auch die Lücken der letzten Jahre wieder zu schließen.

Aktiv werden: Melden Sie Schäden an Alleebäumen, übernehmen Sie eine Alleepatenschaft, machen Sie beim Fotowettbewerb „Allee des Jahres“ mit, leihen Sie die Ausstellung „Bäume schützen“ aus!

www.BUND-Brandenburg.de/alleen

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2022-2.

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