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17. Februar 2025 | Bauen, BUNDzeit-Artikel, Flächenschutz

Viele Orte in Berlin weisen Schadstoffbelastungen im Boden auf. Doch für eine vollständige Erfassung und Beseitigung der Altlasten fehlen die organisatorischen und vor allem die finanziellen Grundlagen.

Im Berliner Boden wartet die eine oder andere Überraschung auf Bauwillige. Foto: Sebastian Petrich

Tegel ist ein besonders schwieriger Fall, weil hier im Boden viele Kampfmittel liegen. Ein halbes Jahr nach dem Ende des Flugbetriebs begann im Mai 2021 auf dem ehemaligen Flughafen die systematische Suche. Bis Ende 2024 haben Expert*innen 300 Hektar Fläche und 225.000 Kubikmeter Erdreich untersucht und dabei über 110 Tonnen Munition gefunden, aufgeteilt in 15.000 einzelne Funde. Zu diesem Arsenal dürfte noch die eine oder andere Granate stoßen, denn planmäßig soll die Munitionssuche noch bis ins Jahr 2036 dauern. Ab 1828 nutzte die preußische Armee das Gelände als Artillerieübungsplatz, in den 1930er- Jahren experimentierte Wernher von Braun mit Raketen und zwischen 1945 und 1948, bevor die West-Alliierten angesichts der sowjetischen Blockade West-Berlins schnell einen weiteren Flughafen bauen mussten, wurde bis zu zwei Meter hoch Trümmerschutt aus der zerbombten Stadt auf der Freifläche abgeladen, Blindgänger inklusive.

Zum explosiven Erbe kommen weitere problematische Stoffe im Boden und im Grundwasser des ehemaligen TXL-Geländes: leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe (LCKW), die absolut toxisch, krebserregend und erbgutverändernd wirken, teilweise ebenfalls kanzerogene leichtflüchtige aromatische Kohlenwasserstoffe (BTEX), Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW) sowie per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS). Bei Letzteren handelt es sich um eine äußerst langlebige, in ihren Wirkungen auf Mensch und Umwelt noch nicht gänzlich erforschte Chemikalienfamilie, die in vielen Alltagsprodukten vorkommt. In den TXL-Boden geriet sie, als die Flughafenfeuerwehr mit Löschschaum übte.

Der frühere Flughafen ist nicht der einzige Ort in Berlin, an dem Altlasten im Boden eine neue Nutzung erschweren. Von den 16 in den letzten Jahren realisierten oder geplanten neuen Stadtquartieren sind neben TXL/ Schumacher-Quartier bei weiteren sechs Altlasten bekannt: In der Wasserstadt Oberhavel haben Rüstungsproduktion, Munition und Tanklager Arsen und MKW hinterlassen, auf der Insel Gartenfeld lagern Schwermetalle, LCKW und Alkylphenole aus der Kabelproduktion im Boden, in Adlershof/Johannisthal schlummern Schwermetalle, BTEX, MKW, LCKW und polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), auf dem ehemaligen Güterbahnhof Köpenick liegen Schwermetalle, PAK, MKW und LCKW unter der Oberfläche, auf dem ehemaligen Rangierbahnhof Pankow sind es MKW, PAK und Schwermetalle, während in Siemensstadt auf dem künftigen Smart-Campus-Gelände LCKW den Boden belasten.

Auch viele andere Gewerbe- und Wohnungsbauvorhaben begannen mit einer aufwendigen Altlastenbeseitigung. Dazu lohnt sich ein Blick auf die Seite der Senatsumweltverwaltung. Berlinweit zählt das Bodenbelastungskataster (BBK) mehr als 11.200 tatsächliche oder vermutete Flächen mit Altlasten oder schädlichen Bodenveränderungen. Besondere Sorgen bereiten die äußerst mobilen LCKW-Einträge, die Schadstofffahnen bilden und sich über Grundwasserleiter großräumig ausbreiten und so das Trinkwasser kontaminieren können. Daneben gewinnen PFAS als neue Schadstoffklasse immer mehr Bedeutung.

Allerdings sind die Fachabteilungen in der Senatsumweltverwaltung und in den Bezirksämtern, die sich mit bodenkundlichen Fragen befassen, personell und finanziell nicht ausreichend ausgestattet, um die Altlastenbeseitigung zügig voranzubringen. Hier gilt es organisatorische und finanzielle Regelungen zu treffen, die eine sorgfältige Boden- und Grundwassersanierung sicherstellen und Bauprojekte auf baulich vorgenutzten Flächen erleichtern. Dazu muss der vorsorgende Bodenschutz ausgebaut werden, um den Boden vor Versiegelung, Verdichtung, Humusverlust, Erosion, Überdüngung und Schadstoffeinträgen zu schützen. Außerdem sollte, wie in fast allen anderen Bundesländern, ein dauerhaftes Bodenmonitoring etabliert werden.

Zum Überblick der Senatsumweltverwaltung zum nachsorgenden Bodenschutz

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2025-1. Mehr zum Schwerpunktthema Bodenschutz:

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