Lucys Gärtnernde bei der Beetplanung. Foto: Lucys Garten
BUNDzeit: Julia, wir sitzen in einem Garten zwischen Volkspark Hasenheide und Lucy-Lameck- Straße, früher Wissmannstraße. Was hat es mit diesem Flecken auf sich?
Julia: Er gehört zum Volkspark, ist aber schon lange durch den Fußweg zum Baumarkt vom Rest des Parks getrennt. Früher war das Teil der Bergschloss-Brauerei, in die in den Neunzigern die Werkstatt der Kulturen einzog. 2021 hat das Grünflächenamt dieses Gelände den Menschen aus der Nachbarschaft zum Gärtnern überlassen, wir nennen es Lucys Garten. Soweit ich weiß, ist es das erste Projekt dieser Art auf öffentlichem Boden. Andere Initiativen beackern Brachen in Privatbesitz.
Wie sah es hier aus, bevor ihr tätig geworden seid?
Das Gelände war Jahrzehnte lang frei zugänglich und diente als Abkürzung zu den Einkaufsmöglichkeiten an der Neuen Welt. Im Winter sind Kinder Schlitten gefahren. Es war ein Stückchen Wildnis mit Brennnesseln und Efeu, aber auch total vermüllt. Irgendwann wurde es dann komplett umzäunt und abgesperrt wegen der Risiken, die die abschüssigen Schlammwege mit sich brachten.
Und dann habt ihr Anwohnende euch eingeschaltet …
Überlegungen aus der Nachbarschaft, das Areal zu nutzen, gab es immer mal wieder, verliefen aber im Sande. Dann kam die Idee eines Gemeinschaftsgartens. Eine Person aus unserer Runde hat sich beharrlich mit dem Neuköllner Grünflächenamt und der Senatsumweltverwaltung auseinandergesetzt. Innerhalb von acht Monaten haben die Ämter grünes Licht gegeben und die Prinzessinnengärten zur fachlichen Unterstützung und als offiziellen Träger für den Nutzungsvertrag dazugeholt.
Das heißt, ihr als Gärtnernde existiert nicht als Verein?
Genau. Offiziell ist es ein Projekt der Prinzessinnengärten. Wir haben aber tatsächlich ein Dokument, das uns das Hausrecht zusichert, falls es Ärger geben sollte, was noch nie der Fall war.
Reden die Prinzessinnengärten im Garten mit?
Sie könnten mitreden, lassen uns aber viel freie Hand. Sie haben sich am Anfang stark eingebracht, mit Workshops, bei den Hochbeeten und der Wasserversorgung geholfen.
Was dürfen die Gärtnernden in Lucys Garten machen und was nicht?
Die Auflagen des Grünflächenamts sind: kein offenes Feuer und wir müssen den Garten für die Öffentlichkeit zugänglich halten. Das heißt, wir haben eine Mindestöffnungszeit pro Woche, die wir uns so organisieren, wie wir das möchten. Außerdem dürfen wir keine Bäume pflanzen, weil für die das Grünflächenamt zuständig ist.
Habt ihr einen Plan, was sich im Garten entwickeln soll?
Eher nicht. Es gibt immer total verschiedene Ideen und Interessen. Manche wollen lieber Gemüse ernten, andere interessieren sich mehr für Blumen.
Wie kommt ihr zu Entscheidungen?
Im monatlichen Meeting, wo jede Person, die kommt, stimmberechtigt ist, wird über organisatorische, aber auch gärtnerische Dinge abgestimmt. Und vieles regelt sich informell. Wenn eine Person sagt: „Ich würde mich gerne um diese Ecke kümmern“, dann macht sie das.
Gibt es persönliche Beete?
Wir haben Patenschaften für die Beete. Da überlegt man sich, was man anbauen möchte, und organisiert es. Daraus folgt aber kein alleiniger Ernteanspruch! Es ist uns wichtig, dass man immer im Austausch bleibt. Wer in Urlaub fährt, muss sich darum kümmern, dass währenddessen gegossen wird. Idealerweise ist man nicht allein Pat*in. In der ersten Saison hatten ein paar Leute alle möglichen Gemüsesorten vorgezogen, die Beete damit bestückt und dann wurden die Patenschaften zugeteilt. Dadurch gab es zu wenig Bezug zum jeweiligen Beet. Jetzt suchen die Leute selbst raus, was in ihrem Beet wächst.
Darf in den Beeten alles wachsen?
Wir bemühen uns um alte Sorten, samenfestes Saatgut sowie wassergenügsame und hitzeresistente Pflanzen. Keine Hybridpflanzen, keine torfhaltige Erde. Allerdings existiert da ein gewisses Spannungsfeld: Garten und Gärtnern sollen für alle offen sein, die in der Nachbarschaft wohnen. Wenn wir uns gemeinschaftlich zu viele Regeln geben, geht das zulasten der Diversität. Dann bleiben wir in der Öko-Bubble. Manche mögen eben Geranien und die Schrebergartenatmosphäre, auch dafür muss es Raum geben.
Wie divers seid ihr Gärtner*innen?
Noch nicht so divers, wie wir es gern wären.
Kostet das Mitmachen Geld?
Nein, niemand muss für Teilhabe bezahlen. Ab und zu bekommen wir Dinge geschenkt, zum Beispiel den Strandkorb dort hinten oder das Gitter an der Weinlaube. Oder auch Pflanzen. Je nach Lust und Möglichkeiten investieren Menschen hier auch privat. Wenn man gerne eine bestimmte Pflanze hier etablieren möchte, kauft man sie eben. Zu Beginn haben uns die Prinzessinnengärten sehr geholfen. Sie haben uns quasi als Anschubfinanzierung die erste große Ladung Erde gebracht. Ebenso das Material für die Hochbeete, die Tische und Bänke und die Kisten für das Werkzeug. Außerdem haben wir Landesförderung aus dem Topf „Förderung des freiwilligen Engagements in Nachbarschaften“ erhalten.
Wieso braucht ihr Erde von außerhalb?
Weil wir nicht wissen, ob im Boden Schadstoffe stecken. Von Beerensträuchern abgesehen setzen wir essbare Dinge deshalb nur in die Hochbeete. Somit ist die Fläche für Essbares durch die Zahl der Hochbeete begrenzt.
Wie hat der Garten die Nachbarschaft in der Lucy-Lameck-Straße verändert?
Plötzlich hat man mit Leuten zu tun, die man sonst nie kennengelernt hätte. Die Nachbarschaft ist weniger anonym geworden, viel öfter als vorher grüßt man sich auf der Straße. Auch Menschen, die vielleicht nicht die Zeit oder Lust zum Gärtnern haben, setzen sich hier hin, lesen, nehmen ihr Mittagessen mit raus oder nutzen die Sitzgelegenheiten auch mal für eine kleine Geburtstagsfeier.
Was rätst du anderen, die auf öffentlichem Grund gärtnern wollen?
Beharrlich bleiben, schauen, dass man auch Verantwortung übernehmen kann, zum Beispiel für die Öffnungszeiten. Zeigen, dass man in gemeinschaftlicher Abstimmung Dinge anstoßen kann.
Gab es in der Gartenwerdung einen toten Punkt, an dem ihr dachtet, jetzt geht es nicht mehr weiter?
Nein. Aber ich denke, man braucht ein bisschen Glück, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein, an der richtigen Stelle nachzufragen und immer wieder Interesse zu zeigen. Und wichtig ist die Vernetzung mit anderen Initiativen. Dadurch haben wir etwa Alpaka-Mist und Schafswolle zum Düngen und als Mulch bekommen.
Zur Person: Wenn Julia nicht gärtnert, siedet sie Seifen oder arbeitet als Ärztin.
Zum Projekt: Lucys Garten liegt im Volkspark Hasenheide am Eingang Lucy-Lameck-Straße und ist im Sommer täglich von 10 bis mindestens 18 Uhr geöffnet.
Das Interview führte Sebastian Petrich. Es erschien in der BUNDzeit 2/2025. Mehr zum Schwerpunktthema Zivilgesellschaft:
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