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49-Euro-Ticket für Arbeitnehmer:innen attraktiver gestalten

09. Dezember 2022 | ÖPNV, Verkehr

Zusätzliche Preisreduktionen auf Landesebene sollten sich auf einkommensschwache Gruppen konzentrieren

Foto: IgorCalzone1 (CC BY-SA 4.0)

Info 35/Berlin, 9. Dezember 2022: Bund und Länder haben sich nach zähen Verhandlungen endlich abschließend auf die Finanzierung des 49-Euro-Tickets geeinigt, das nun tatsächlich im kommenden Jahr eingeführt werden soll. In der Berliner Landespolitik wird anlässlich der bevorstehenden Einführung des 49-Euro-Tickets über eine zusätzliche Landesförderung diskutiert, um den Preis des sogenannten Deutschlandtickets noch günstiger anzubieten. Statt den Preis des Tickets für alle ÖPNV-Kundinnen insgesamt zu reduzieren, wäre es nach Ansicht des Umweltverbandes BUND Berlin sinnvoller, die knappen Landesmittel auf Preisreduzierungen oder Ausweitungen des Berechtigtenkreises von bereits ermäßigten Abos, wie Seniorentickets, Azubi-Tickets und Semestertickets zu konzentrieren. Denn für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würde ein steuer- und abgabenfreies Firmenticket für 49 Euro bei einer sogenannten Gehaltsumwandlung wegen des Steuer- und Sozialabgabenrechts netto monatlich ohnehin weniger als 29 Euro kosten (bei Kostenneutralität für den Arbeitgeber).

„Es ist bedauerlich, dass der Bund nicht bereit ist, ein deutschlandweites Ticket zum Preis von 365 Euro pro Jahr zu finanzieren“, sagt Tilmann Heuser, der Geschäftsführer des BUND Berlin. „Für Beschäftigte, die fast täglich pendeln, ist das sogenannte Deutschlandticket mit 49 Euro im Vergleich zu den Kosten für die Nutzung eines Pkws allerdings schon vergleichsweise günstig. Bei einem von der Einkommenshöhe praktisch unabhängigen Realpreis von unter 29 Euro monatlich als Firmenticket sehen wir keinen Bedarf für eine zusätzliche direkte Subventionierung aus Berliner Landesmitteln“, so Heuser weiter. „Daher wäre es geboten, insbesondere für Menschen mit geringen Einkommen, die zudem keine Steuervorteile realisieren können, das Klimaticket zu vergünstigen, nicht aber unbedingt für Menschen mit regelmäßigem Arbeitseinkommen. Außerdem müssen zusätzliche Finanzmittel für den überfälligen Ausbau des ÖPNV bereitgestellt werden“, so Heuser weiter.

„Auch das Azubi-Ticket, das für Berlin und Brandenburg derzeit 365 Euro pro Jahr kostet, könnte über das Mittel der Gehaltsumwandlung monatlich für die Auszubildenden netto deutlich unter 20 Euro kosten. Hier bestünde unter dieser Voraussetzung kein weiterer Handlungsbedarf“, sagt Tilmann Heuser. „Anders sieht es bei Seniorentickets und Sozialtickets sowie Semestertickets aus, deren Preis sinken müsste“, erklärt der Berliner BUND-Landesgeschäftsführer. Bekanntlich ist die Senkung des Preises für das Berliner Sozialticket von derzeit 27,50 Euro auf 9 Euro monatlich zunächst nur auf das erste Quartal 2023 befristet.

„Gefordert sind aber auch Gesetzgeber und Sozialpartner, um die Mobilitätswende durch Förderung des ÖPNV voranzubringen. Auf Bundesebene müssen die derzeit noch unterschiedlichen steuer- und abgabenrechtlichen Anrechnungsoptionen weiterentwickelt werden. Arbeitnehmer müssen einen Anspruch darauf bekommen, dass der Arbeitgeber die Kosten für das Monatsticket erstattet und seine dadurch bedingten Einsparungen bei den Sozialversicherungsabgaben durch eine Zuzahlung in Höhe von ca. 10 Euro kompensiert. Auf die Arbeitgeber würden dadurch keine Mehrkosten zukommen“, sagt Tilmann Heuser.

Forderungen kompakt in Stichpunkten:

  • Keine zusätzliche Subventionierung von Jobtickets aus Landesmitteln
  • Stattdessen zusätzliches Geld für Aufrechterhaltung und Ausbau des ÖPNV-Angebots sowie für Absenkung der Preise von Sozial-, Senioren- und Semestertickets
  • Anspruch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer, dass ihnen ihr Arbeitgeber die Kosten für das Monatsticket in Form einer Gehaltsumwandlung erstattet und seine dabei durch die Abgabenfreiheit entstehenden Kostenvorteile weitergibt.
  • Bund muss einheitliche Regelung für steuerliche Anrechnung von ÖPNV-Tickets für Beschäftigte schaffen

 

Zur Erläuterung der einkommensteuerlichen Regelungen:

Kaufen Arbeitnehmer:innen ihr ÖPNV-Monatsticket selbst, dann bezahlen sie es aus ihrem AN-Netto-Einkommen (nach Abzug von Steuern und Abgaben). In Abhängigkeit der Entfernung zwischen Arbeits- und Wohnort können sie – bei Überschreiten der Werbungskostenpauschale bzw. Arbeitnehmerpauschbetrag von 1200 Euro (ab 2022) – die Entfernungspauschale steuerlich geltend machen (Höhe der steuerlichen Entlastung hängt vom individuellen Grenzsteuersatz ab).

Wird das Monatsticket als Firmen- bzw. Jobticket über den Arbeitgeber bezogen, schlägt das komplizierte deutsche Steuerrecht zu, zusätzlich noch verschärft durch die Regelungen zur Entfernungspauschale.

Bezogen auf das Arbeitgeber-Brutto (das etwa 122 Prozent des AN-Brutto beträgt) bedeutet ein Firmenticket mit Kosten von 49 Euro (statt Auszahlung als normaler Lohn) zunächst mal eine Einsparung von circa 21 Euro bei den Abgaben zur Renten- und Sozialversicherung (Der Einspareffekt verteilt sich hierbei fast hälftig auf AN und AG). Die steuerlichen Effekte hängen dann einerseits von der gewählten Variante, zum anderen aber auch der Absetzbarkeit der Entfernungspauschale ab (mit und ohne Abzug der Kosten für das Firmenticket). Der Arbeitgeber müsste die rund zehn Euro Einsparung bei den Abgaben an den Arbeitnehmer abtreten, damit dieser einen Realpreis von unter 29 Euro monatlich zahlt.

Wer es ganz genau wissen will:

Variante 1: Das Firmenticket wird dem/der Arbeitnehmer:in zusätzlich zum Arbeitslohn gewährt (individuelle Zulage oder Betriebsvereinbarung):

Wird das Firmenticket als AG-Leistung zusätzlich zum Arbeitslohn gewährt, ist es seit 2019 nach § 3 Nr. 15 EStG wieder steuerfrei (und abgabenfrei).

Zum Vergleich: würden AN stattdessen eine Lohnerhöhung um 49 Euro pro Monat (AN-Brutto) bekommen, würde nach Sozialabgaben und Steuern bei einem AN-Netto von 3.049 Euro netto 27,12 mehr ausgezahlt bekommen. D.h.: das Ticket „kostet“ die AN bei dem entsprechenden Einkommen faktisch 27,12 Euro statt 49 Euro (Ersparnis SV-Abgaben: 9,97 Euro, Steuer – desto höher der individuelle Steuersatz, desto mehr sparen die AN ein.

Der AG „spart“ sich in diesem Fall die AG-Anteile zur Sozial- und Rentenversicherung (11,33 Euro).

Aber: Die Kosten für das Ticket werden auf der Jahressteuerbescheinigung der AN ausgewiesen und ggf. von der angesetzten Entfernungspauschale abgezogen. Bei Pendler:innen mit größeren Entfernungen, die tatsächlich die Entfernungspauschale ansetzen können (sprich: die über die Werbungskostenpauschale von 1.200 Euro kommen), relativiert sich der Steuervorteil, der Vorteil hinsichtlich der eingesparten SV-Abgaben bleibt aber..

 

Variante 2: Gehaltsumwandlung

Mit Wirkung zum 01.01.2020 hat der Bundesgesetzgeber Grundlage mit der Regelung des § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EstG zusätzlich die Option geschaffen, mit der eine Gehaltsumwandlung des Jobtickets und auch des Arbeitgeberzuschusses zu den Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel möglich ist.

Hinsichtlich der insgesamt „eingesparten“ SV-Abgaben bleibt die Rechnung bezogen auf das AG-Brutto gleich: insgesamt müssen bezogen auf das AG Brutto ca. 21 Euro weniger abgeführt werden.

Steuerlich wird es jedoch komplizierter, da in diesem Fall eine pauschale Lohnsteuer in Höhe von 15% oder 25% zu entrichten ist. Der Unterschied der Pauschalversteuerung liegt dabei in der Anrechnung des Jobtickets bzw. des Arbeitgeberzuschusses auf die Entfernungspauschale des Arbeitnehmers (https://salfy.de/jobticket-artikel/):.

    Pauschalversteuerung mit 15% Lohnsteuer: Bei dieser Variante muss der Arbeitgeber die Aufwendungen auf der Jahreslohnsteuerbescheinigung eintragen. Es erfolgt eine Anrechnung auf die Entfernungspauschale des Arbeitnehmers.

    Pauschalversteuerung mit 25% Lohnsteuer: In diesem Fall entfällt die Anrechnung der Zuwendung auf die Entfernungspauschale des Arbeitnehmers. Eine Eintragung der Zuwendung in der Jahreslohnsteuerbescheinigung ist nicht erforderlich.

Diese Pauschalversteuerung kann vom AG oder vom AN getragen werden.

 

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