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Demografie und Umwelt: Das eine tun und das andere lassen

05. August 2018 | BUNDzeit-Artikel, Demografie, Flächenschutz, Gesellschaft, Klimawandel, Migration, Nachhaltigkeit, Stadtentwicklung

Während sich die ländlichen Gebiete Brandenburgs leeren, leben in Berlin und Umgebung immer mehr Menschen. Und überall steigt die Lebenserwartung. Was bedeutet das für die Umwelt?

Jahr für Jahr wächst Berlin um rund 50.000 Seelen, das entspricht einer Stadt wie Passau oder Emden. Auch in Potsdam und anderen Orten im Speckgürtel wird es enger. Wie anders die Lage in den berlinfernen Regionen ist, zeigt der Blick auf die Zahl der Schüler*innen: Während in Potsdam 124,1 Schulkinder auf 1.000 Einwohner*innen kommen, sind es im Spree-Neiße-Kreis nur 77,4. Älter werden sie aber hier wie dort: Die durchschnittliche Lebenserwartung von im Jahr 2015 geborenen Mädchen beträgt 83 Jahre, die von gleichalten Buben immerhin 77. Das sind fünf und sechs Jahre mehr als bei denen, die Anfang der 1990er-Jahre geboren wurden. Aus ökologischer Sicht wirft das drei Fragen auf. Erstens: Wie können im Ballungsraum mehr Menschen leben, ohne dass die Umwelt darunter leidet? Zweitens: Was passiert mit den von Abwanderung betroffenen Gegenden? Drittens: Ist die senior*innenfreundliche Stadt womöglich auch die ökologischere Stadt?

Flächen effizient nutzen

Woher soll man den in Berlin und im Speckgürtel benötigten Wohnraum nehmen? Die Stadtnatur darf nicht Opfer der Bebauung werden, im Gegenteil: Wo mehr Menschen wohnen, muss es eher mehr grüne Freiflächen geben. Einen nicht unerheblichen Teil ihrer Attraktivität verdanken Berlin und Potsdam schließlich ihrem im Vergleich zu anderen Städten relativ hohen Grünanteil. Der BUND fordert daher, Flächen wie Parks, Kleingärten, Uferbereiche und Brachflächen dauerhaft vor Bebauung zu schützen. Gebaut werden soll vielmehr dort, wo heute überdimensionierte Straßen und Parkplätze oder Flachbauten wie Discounter, Baumärkte und Tankstellen wertvolle Fläche beanspruchen. Kurz gesagt: Bauen ja, aber kompakt statt flächenintensiv und nur auf versiegeltem Boden. Das mit dem Bevölkerungswachstum gestiegene Mobilitätsbedürfnis haben in Berlin in den letzten Jahren überwiegend die umweltfreundlichen Verkehrsträger befriedigt. Doch auf vielen Linien ächzen Busse und Bahnen – und mehr noch ihre Fahrgäste – unter der gestiegenen Belastung. Deshalb müssen jetzt schleunigst die Weichen für einen leistungsfähigeren öffentlichen Verkehr der nächsten Jahrzehnte gestellt werden.

Mit Braunkohle und Autobahnen Landflucht stoppen?

Auch im ländlichen Raum bringen demografische Veränderungen Handlungsbedarf; oder besser gesagt: Unterlassungsbedarf. Noch immer versucht die Politik auf Bundes- und Landesebene, völlig aus der Zeit geratene und umweltzerstörende Großprojekte durchzuziehen, weil sie damit strukturschwache Regionen aufpäppeln will. Beispiel Braunkohle: Für die Erweiterung des Tagebaus Welzow- Süd II will die rot-rote Regierung in Potsdam mehrere Siedlungen und mit Proschim sogar ein lebendiges sorbisches Dorf von der Landkarte wischen. Ein anderes Beispiel ist die geplante A 14, die durch die dünn besiedelte Prignitz und dort durch ökologisch besonders sensible Gebiete führen soll – und das obwohl die Verkehrsprognose mit Mühe und Not einen Ausbau der bestehenden Bundesstraße rechtfertigt. Derzeit klagt der BUND gegen einen Bauabschnitt. Auch bei der industrialisierten Landwirtschaft, die große Teile der brandenburgischen Landschaft prägt, ist mehr als fraglich, ob sie einen nennenswerten Beitrag zur Belebung der Dörfer leisten kann. Schließlich sind moderne Tierfabriken weitgehend automatisiert und brauchen kaum Personal.

Alterung zivilisiert Stadtverkehr

Seit einigen Jahren sind die „jungen Alten“ als kaufkräftige Zielgruppe in der Autowerbung sichtbar geworden. Prägen künftig rasante Rentner*innen das Straßenbild? Gute wäre es, wenn sie es vornehmlich auf Pedelecs täten – so dienen die Fahrräder mit elektrischem Hilfsmotor als Einstiegshilfe in die umweltfreundliche Fortbewegung. In jedem Fall muss die Verkehrsplanung dafür sorgen, dass die autolose Mobilität älteren Menschen als akzeptable Alternative erscheint: mehr Platz zum Gehen und Sitzen im öffentlichen Raum, längere Grünzeiten an den Fußgängerampeln, barrierefreier Zugang an Haltestellen, Fahrplanaushänge in lesbarer Schriftgröße, genügend Platz für Rollatoren und Rollstühle in Bussen und Bahnen. Dass davon auch Jüngere profitieren, sei nur am Rande erwähnt.

Dasselbe gilt für Maßnahmen zur Anpassung an Folgen des Klimawandels. Unter den künftig häufiger zu erwartenden sommerlichen Hitzewellen leiden ältere Menschen besonders. Deswegen sollten die Straßenbäume als Schattenspender unbedingt erhalten und neue gepflanzt werden. Es liegt im allgemeinen Interesse, Frischluftschneisen von Bebauung freizuhalten oder neu anzulegen, um für Abkühlung zu sorgen, denn eines ist klar: Jünger werden wir alle nicht.

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2018-3 (Titelthema: Demografischer Wandel)

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