BUND Landesverband Berlin
Mitglied werden Jetzt spenden
BUND Landesverband Berlin

Gefährliches Missverständnis

26. Oktober 2018 | Artenvielfalt, BUNDzeit-Artikel, Naturschutz

Der Brandenburger Bauernbund präsentiert mit viel Getöse eine juristische Stellungnahme über mögliche Straffreiheit für Wolfstötungen. Und ruft kaum verhohlen zu einer Straftat auf.

Wolfsspur bei Spremberg (Landkreis Spree-Neiße). Foto: Mario Sitte/BUND Brandenburg

Wer im Bundestag für Jagd auf den Wolf wirbt, muss ein zuverlässiger Verbündeter sein, dachte sich wohl der Brandenburger Bauernbund, als er im Mai den Kieler Strafverteidiger und FDP-Politiker Wolf(!)gang Kubicki ein Kurzgutachten präsentieren ließ, in dem dieser eine ziemlich theoretische Möglichkeit erörtert, Wölfe zu erschießen und dabei straffrei zu bleiben.

Als mögliche Einfallschneise für Wolfsabschüsse identifiziert Kubicki den „rechtfertigenden Notstand“. Laut §34 Strafgesetzbuch handelt wer „in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, […] nicht rechtswidrig“. Dies gilt freilich nur, wenn die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden und wenn in der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter das eine geschützte Interesse das andere wesentlich überwiegt.

Wiegt das Leben eines durch nationales (Bundesnaturschutzgesetz), europäisches (FFH-Richtlinie) und internationales Recht (Washingtoner Artenschutzabkommen) geschützten Wolfs etwa weniger als das eines Nutztieres? Natürlich nicht, muss Kubicki einräumen, um dann eine Ausnahme zu konstruieren: Eine Wolfsattacke auf Tiere mit einem besonderen materiellen Wert oder auf Tiere mit einer individuellen Beziehung zum Menschen könne Schüsse rechtfertigen. Allerdings nur im Moment des Angriffs, nicht vorbeugend und nicht später aus Vergeltung.

Wenig realistisches Szenario

Wolfgang Kubicki schließt seine Stellungnahme mit der Einschätzung, dass der von ihm konstruierte Notstand in der Praxis selten vorkommen dürfte. Damit hat er wohl Recht. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Bäuerin die ganze Nacht auf der Weide wacht, um dann – nachdem alle nichttödlichen Vertreibungsversuche gescheitert sind – die Flinte auf einen Wolf zu richten, der gerade den teuren Zuchtbullen attackiert. Auch dass Hundehalter im Wald künftig bewaffnet Gassi gehen, ist wirklichkeitsfern.

Auch wenn Kubicki den entscheidenden Punkt deutlich macht, nämlich dass der Gesetzgeber bereits eine Wertentscheidung getroffen hat und den Schutz der Wölfe höher gewichtet als den von ersetzbaren Herdentieren, sorgt sein Kurzgutachten für Missverständnisse. Nicht nur bei der Presse – der Tagesspiegel schlagzeilte „Kubicki plädiert für Abschuss von Wölfen“ –, sondern auch beim Auftraggeber. So sagte Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung: „Wir fordern alle Landwirte auf, Tiere, die besonders wertvoll sind, auf der Weide zu verteidigen – wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind“. Da musste der Anwalt Kubicki eingreifen: „Auch der Aufruf zur Tötung eines Wolfs ist eine Straftat.“ Diese Warnung ignorierend kündigte Jung an, der Bauernbund werde für den ersten Landwirt, der wegen einer Wolfstötung vor Gericht steht, die Prozesskosten übernehmen.

Der Lobbyverein legt es auf einen Musterprozess an und braucht dafür einen Fall. So ein Prozess könnte für die Angeklagten böse enden. Als Strafe für einen illegalen Wolfsabschuss drohen bis zu fünf Jahre Haft, 50.000 Euro Strafe und der lebenslange Entzug der Jagderlaubnis. Angesichts dessen dürfte es für die Landwirt*innen sinnvoller sein, ihre Herden durch Zäune zu schützen.

Der Artikel erschien in der BUNDzeit 2018-4 

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb