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Kraftriegel für den Kulturkampf

02. November 2023 | BUNDzeit-Artikel, Gesellschaft, Gesundheit, Klimaschutz, Lebensmittel

Streit in der Landesregierung wegen angeblicher Fleischverbote: Brandenburg droht ein von Populismus getriebener Wahlkampf

Die Tiere in der Massentierhaltung würden sich über weniger Fleisch in Brandenburgs Kantinen freuen: Demo gegen Wiesenhof-Tierfabrik in Königs Wusterhausen. Foto: Sebastian Petrich

Gut ein Jahr vor der Landtagswahl gibt es in der rot-schwarzgrünen Landesregierung Streit über eine Ernährungsstrategie. Eine solche zu erarbeiten, hatten die drei Parteien im Koalitionsvertrag von 2019 vereinbart und 2021 im Landtag beschlossen. Unter anderem begründeten die Koalitionsparteien dies damit, dass 15 Prozent der Kinder übergewichtig seien und jeder fünfte Todesfall mit ungesunder Ernährung zusammenhinge. Der Auftrag, die Ernährungsstrategie auszuarbeiten, ging an Gesundheits- und Verbraucherschutzministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). Diese ließ den Brandenburger Ernährungsrat, dem unter anderem die AWO, die Fleischer-Innung, die Hochschule Eberswalde und das Landwirtschaftsamt des Kreises Teltow-Fläming angehören, Empfehlungen für die Strategie ausarbeiten.

Die in die Ernährungsstrategie übernommenen Empfehlungen fußen auf einem Vierklang: Nachhaltige Ernährung soll regional, gesund, vielfältig und fair sein. Was sich nach einer Selbstverständlichkeit anhört, hat im Kabinett für Uneinigkeit gesorgt. Finanzministerin Katrin Lange (SPD) verweigerte der von Nonnemacher vorgelegten Strategie ihre Zustimmung, allerdings nicht aus finanziellen Gründen. Vielmehr störte sie sich an den Passagen, die die Kantinen der Landeseinrichtungen betrafen. Für diese strebt Nonnemachers Papier eine stärker pflanzenbasierte Ernährung an, so wie sie auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Lange begründete ihr Njet gegenüber dem RBB mit dem Wunsch, „dass die gesunde Currywurst auch in Zukunft als Kraftriegel für die Verwaltungsmitarbeiter zur Verfügung stehen wird“.

Ein Verbot von Currywurst, Schnitzel und Bulette steht allerdings überhaupt nicht zur Diskussion. In der Ernährungsstrategie, die die Gesundheitsministerin nun ohne Zustimmung des Kabinetts veröffentlichen will, ist an keiner Stelle von Verboten, Verteuerungen oder sonstigen Einschränkungen die Rede. Vielmehr will sie die in den Großküchen Tätigen dazu animieren, über den Tellerrand hinauszusehen. Denn anders als die Finanzministerin behauptet („Wer Kichererbsen, Algen und Insekten essen will, kann es gern tun“), herrscht noch lang keine wirkliche Vielfalt in der Gemeinschaftsverpflegung – was nicht nur für Brandenburg gilt.

Auch aus der CDU kamen Wortmeldungen, die die Ernährungsstrategie mit angeblichen Fleischverboten in Zusammenhang brachten. Wollen Brandenburger Politiker*innen aus Ratlosigkeit über die guten Umfragewerte der AfD dem Beispiel von Söder und Aiwanger folgen und den kommenden Wahlkampf zum Kulturkampf gegen eine herbeifabulierte Zwangsvegetarisierung machen? Davon profitiert am Ende nur die AfD, während die politische Kultur verliert. Das Bonmot von der Currywurst als Kraftriegel für Fachkräfte stammt übrigens von Gerhard Schröder. Der kritisierte damit, dass VW vorübergehend Fleisch vom Speiseplan genommen hatte – allerdings nur in einer von mehreren Wolfsburger Kantinen, nämlich der im Vorstandshaus.

Wie Gemeinschaftsverpflegung besser wird: www.kantine-zukunft.de

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 23-4.

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