Bekanntlich hat Berlin mehr Brücken als Venedig. Nicht wenige Brücken verdankt es den Gräben, die das Stadtgebiet entwässern. Einem dieser Gewässer folgen wir ab seiner „Quelle“, genauer gesagt ab der Stelle, an der es erstmals aus einem Rohr an die Oberfläche tritt, nämlich rund 800 Meter westlich des S-Bahnhofs Zehlendorf. Wo die Königsstraße die Wannseebahn unterquert und in den Königsweg übergeht, ist der Buschgraben das erste Mal sichtbar. Von einem Feldweg am Bahndamm geht ein schmaler Fußpfad ab, rechts das dunkle Wasser des Grabens, links eine Pferdekoppel und kurz darauf ein auf den ersten Blick idyllisch anmutendes Feuchtgebiet. „Wasserwirtschaftliche Anlage: Betreten verboten“, warnt ein Schild, es handelt sich um ein Becken, das Regenwasser nach starken Niederschlägen zurückhalten soll.
Nach einer Rechtskurve verläuft der Buschgraben parallel zu der überwachsenen Trasse der Stammbahn, bevor er vorübergehend wieder in einem Rohr verschwindet. Bei nächster Gelegenheit kreuzen wir die Stammbahn, indem wir links in die Idsteiner Straße einbiegen. Deren Verlängerung über die Berlepschstraße hinaus ist ein Fußweg durch eine Grünanlage, in der der Graben wieder sichtbar wird. Nach dem Queren der Neuruppiner Straße befinden wir uns auf dem ehemaligen Todesstreifen entlang der Grenze zwischen Westberlin und der DDR und laufen auf einem Wanderweg, der 1998 durch tätige Mithilfe des BUND angelegt wurde. Dies hatte durchaus einen naturschutzpolitischen Hintergrund: Die Buschgrabenniederung war bedroht, eine komplette Verrohrung und Überbauung des Grabens schien denkbar. Der mit Ausgleichsmitteln geschaffene Weg schob dem einen Riegel vor. Er verläuft als Rundweg auf beiden Seiten des Gewässers, das sich mittlerweile zum Buschgrabensee geweitet hat.
Am südlichen Seeende treffen wir auf den Zehlendorfer Damm, hier erinnert ein stehengelassenes Betonstück an den Abriss der Mauer 1990. Weiter geht es durch die Wäldchen gewordene Wildnis des ehemaligen Grenzstreifens, ein kleines Paradies für über 70 Brutvogelarten, darunter Zaunkönig, Nachtigall, Gartengrasmücke, Zwergtaucher, Teichrohrsänger und Rohrammer. Fast 260 Schmetterlingsarten und über 300 Pflanzenarten wurden hier nachgewiesen.
Nach insgesamt rund drei Kilometern, nachdem er sich erneut zu einem kleinen See geweitet hat, verschwindet der Buschgraben ein letztes Mal im Boden, um wenig später in den Teltowkanal zu münden. Diesen steuern auch wir via Erlenweg und Ringweg an. Ab der Rammathbrücke laufen wir direkt am Kanalufer in westlicher Richtung, um nach einem weiteren Kilometer den Machnower See zu erreichen. Nun ist der Endpunkt des Ausflugs zu sehen, die Schleuse Kleinmachnow.
Im Zuge des „Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 17“ wollten wechselnde Bundesregierungen seit Anfang der Neunziger nicht nur Havel und Spree, sondern auch den Teltowkanal für große Containerschiffe nutzbar machen. Dafür war geplant, die Schleuse Kleinmachnow deutlich zu vergrößern, die nördliche Kammer sollte 190 statt 85 Meter messen. Für die über 600 Meter langen Schiffswartebereiche hätte Uferwald in beträchtlichem Maße abgeholzt werden müssen. Hätte. Denn nach jahrelangem Druck des BUND gab der Bund 2009 die VDE17-Pläne auf, damit wurde der Schleusenneubau hinfällig. Klagen des Landes Brandenburg und der Stadt Königs Wusterhausen gegen den Verzicht auf den Bau scheiterten beziehungsweise wurden zurückgezogen. Somit blieb es bei der alten Schleuse, die Ufervegetation war gerettet.
Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2021-1. Mehr zum Schwerpunktthema „30 + 40 Jahre BUND in Brandenburg und Berlin“:
Die Achtzigerjahre: Frischluftschneisen statt Lärmkorridore
Die Neunzigerjahre: Aufbruchsstimmung im Osten, Professionalisierung im Westen
Die Nullerjahre: Der Staat wird es nicht richten
Die Zehnerjahr: Unterschriftenmarathon und juristische Finesse