Info 11 / Berlin, 15. März 2023: Der heute vorgelegte Bericht des Umweltbundesamts (UBA) zu den CO2-Emissionen 2022 ist ein Armutszeugnis der Bundesregierung. Die erneute Überschreitung der rechtlich verbindlichen Klimavorgaben in gleich mehreren Sektoren war so zu erwarten und zeigt auf, dass die Bundesregierung zu wenig gegen die Klimakrise tut.
„SPD, FDP und Grüne brechen geltendes Recht“, erklärt Antje von Broock, Bundes-Geschäftsführerin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Die Zahlen des UBA bestätigen, wie wichtig die Klimaklage des BUND ist. Wir werden alles tun, um die Bundesregierung endlich auf Klimakurs zu bringen. Denn auch diese Bundesregierung ist an das Klimaschutzgesetz gebunden, alles andere ist ein Rechtsbruch. Olaf Scholz muss endlich handeln und der geballten Verantwortungslosigkeit der FDP einen Riegel vorschieben. Es liegt in seiner Verantwortung endlich dafür zu sorgen, dass wirksame Sofortprogramme verabschiedet und umgesetzt werden.“
Besonders sticht der Verkehrssektor hervor auch in Berlin. Zwar liegen noch keine regionalen Zahlen für die Hauptstadt für 2022 vor, allerdings ist davon auszugehen, dass der Verkehrsbereich in der Hauptstadt erneut rund 30 Prozent zu den Gesamtemissionen von Treibhausgasen beigetragen haben dürfte, wie es im Jahr 2020 der Fall war, als rund vier Millionen Tonnen CO2 allein in diesem Sektor emittiert worden sind. Jüngere endgültige Daten des Landesamtes für Statistik Berlin-Brandenburg liegen noch nicht für die Hauptstadt vor.
„Auch in Berlin werden sehenden Auges die Emissionen nicht wirksam heruntergefahren. Die 30 Prozent Verkehrsanteil an den Gesamtemissionen der deutschen Hauptstadt drohen weiter zu steigen. Der Verkehrssektor ist der einzige Bereich mit steigenden Emissionen, während selbst im Gebäudebereich mit stagnierend niedriger Sanierungsrate wenigstens Potentiale sichtbar werden“, sagt Matthias Krümmel, Fachreferent für Klimaschutzpolitik beim BUND Berlin.
Der Anteil des Verkehrs an den CO2-Emissionen hat sich in Berlin kontinuierlich von 16 Prozent im Jahr 1990 bis heute fast verdoppelt.
„Minimale Fortschritte wie bei der Ladeinfrastruktur und bei elektrischen Bussen der BVG werden auch vom Bevölkerungs- und Verkehrswachstum wieder zunichte gemacht. Von einer allgemeinen Verkehrsreduktion und Verkehrsvermeidung ist bislang zu wenig zu sehen“, so Matthias Krümmel weiter.
"Der BUND Berlin unterstützt den Volksentscheid Berlin 2030 klimaneutral und wir fordern die Berlinerinnen und Berliner auf, am 26. März mit Ja zu stimmen oder bereits vorher bereits in den Bezirkswahlämtern abzustimmen. Nur so kann der nötige Druck auf die Berliner Landespolitik aufrecht erhalten werden", sagt Krümmel.
Laut Daten des Kraftfahrzeug-Bundesamtes ist die Anzahl der zugelassenen Pkw in der Hauptstadt allein in den letzten zehn Jahren um 7,7 Prozent oder in absoluten Zahlen um fast 90.000 auf rund 1,24 Millionen zum Stichtag 1. Januar 2023 gestiegen. Im Vergleich zum 1. Januar 2008 ging der Pkw-Bestand sogar um 13,9 Prozent oder über 151.000 hoch. Noch dramatischer ist der Anstieg bei den Lkw. Seit 1. Januar 2008 stieg deren Anzahl um über die Hälfte auf zuletzt über 115.000. Damit sind im Jahr 2023 fast 40.000 mehr Lkw in Berlin zugelassen als im Jahr 2008. Im Zehn-Jahres-Vergleich zum 1. Januar 2014 liegt der Zuwachs bei knapp 40 Prozent oder fast 33.000 Fahrzeugen.
„Dabei sollte man sich nicht davon täuschen lassen, dass zu Jahresbeginn 2023 nur 711 mehr Pkw in Berlin zugelassen waren als ein Jahr zuvor. Der vergleichsweise geringe Zuwachs dürfte vor allem der wirtschaftlichen Unsicherheit im Hinblick auf die hohen Inflationsraten geschuldet sein und nicht das Ergebnis verkehrspolitischer Maßnahmen“, sagt Martin Schlegel, Referent für Mobilität des BUND Berlin.
„Als Ziel der Verkehrspolitik darf künftig nicht der der prozentuale Anteil des Motorisierten Individualverkehrs an allen Verkehrsträgern die Richtschnur sein. Stattdessen muss die Gesamtmenge des Kfz-Verkehrs ins Auge genommen und deutlich reduziert werden“, fordert Martin Schlegel.
Der Mobilitätsexperte des BUND Berlin hat auch im Hinblick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen in Berlin konkrete Forderungen: „Sowohl die A100 als auch die Tangentiale Verbindung Ost (TVO) und weitere Hochleistungsstraßen wie die Südost-Verbindung (SOV) dürfen nicht weiter geplant und gebaut werden. Außerdem muss das Ausbauprogramm i2030 für den Schienenverkehr deutlich beschleunigt und der Ersatz von Buslinien durch neue Straßenbahnstrecken forciert werden.“ Außerdem fordert Martin Schlegel Maßnahmen im innerstädtischen Straßenverkehr: „Nicht emissionsfreie Lkw und Zweiräder müssen innerhalb des S-Bahnrings bis 2030 verboten werden.“
„Schon in der Studie ‚Berlin Paris-konform machen‘ zeichnete sich deutlich ab, was angesichts des Zehn-Jahres-Trends zu erwarten ist: Mehr motorisierter Individualverkehr, zögerlicher Antriebswechsel, langsame Elektrifizierung auch der Schienenwege, Rückgang der transportierten Güter auf dem Wasser und Zunahme des Flugverkehrs – dies führt anstelle einer Reduktion zu weiter steigenden Emissionszahlen im Sektor Verkehr. So wird das nichts mit der Reduktion von Treibhausgasen um 95 Prozent, wenn wir das in der Studie formulierte sehr späte Klimaneutralitätsziel in 2050 erreichen wollten. Der BUND Berlin setzt sich zudem für ein früheres Erreichen der Klimaneutralität ein“, ergänzt Klimaschutzreferent Matthias Krümmel.
Auch unser Bundesverband hat heute eine Pressemitteilung zum Thema veröffentlicht
Kontakt:
Martin Schlegel, Fachreferent für Mobilität des BUND Berlin, 030-78 79 00 17, schlegel[ät]bund-berlin.de
Matthias Krümmel, Fachreferent für Klimaschutzpolitik des BUND Berlin, 030-78 79 00 63, kruemmel[ät]bund-berlin.de