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„Wir wollen keine End-of-the-pipe-Lösung“

Gesche Grützmacher, Jahrgang 1968, studierte Geologie in Heidelberg und der Technischen Universität Berlin. Sie promovierte 1999 zum Thema Braunkohletagebaue und Grundwasserqualität an der Freien Universität Berlin und arbeitete anschließend beim Umweltbundesamt und beim Kompetenzzentrum Wasser Berlin. Aktuell kümmert sie sich als Leiterin des Fachbereichs Wasserwirtschaft der Berliner Wasserbetriebe um die Bewirtschaftung der Trinkwasserressourcen.

Gesche Grützmacher, Leiterin der Abteilung Wasserwirtschaft bei den Berliner Wasserbetrieben, über Sulfat im Wasser, Alternativen zur Mischwasserkanalisation und die Arbeitsteilung mit der BSR

Frau Dr. Grützmacher, wie können wir uns als Laien die Trinkwassergewinnung in Berlin vorstellen?

Unser Trinkwasser gewinnen wir aus etwa 650 Brunnen an den Ufern der Gewässer. Sie ziehen Wasser aus dem Grundwasser in Tiefen von in der Regel 20 bis 60 Metern. Etwa 60 bis 70 Prozent dieses Grundwassers werden aus Oberflächenwasser gespeist, dem sogenannten Uferfiltrat. Es wird dann nur noch belüftet und durch Sand gefiltert. Diese naturnahe Aufbereitung praktizieren wir in allen unseren neun Wasserwerken.

Ist das Berliner Trinkwasser etwas Besonderes?

Bundesweit gibt es keine andere Großstadt, die das Trinkwasser ausschließlich auf dem Stadtgebiet gewinnt. In der Regel wird das Wasser in weit entfernten, wenig urbanen Gebieten gefördert. Dass wir das Trinkwasser aus eigenen Ressourcen entnehmen können, erfüllt uns mit Stolz, denn es ist nachhaltiger, regionale Ressourcen zu nutzen.

Welche Rolle wird Uferfiltrat angesichts der klimatischen Veränderungen in den nächsten Jahrzehnten spielen?

Es gibt unterschiedliche Szenarien, auf die wir uns vorbereiten. Wenn etwa die Niederschlagshäufigkeit abnimmt und die verbliebenen Niederschläge eher verdunsten, dann bildet sich weniger Grundwasser neu. Dann müssten wir mehr Uferfiltrat fördern.

Reicht dafür das Wasserdargebot der Spree?

Wir gehen davon aus, dass es im Jahresmittel reicht. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es Niedrigwasserphasen geben wird, in denen wir gewisse Einschränkungen erfahren. Nicht nur an der Spree, sondern vor allem an der Oberhavel. Dabei muss man sich alle Gewässerbenutzungen anschauen und Prioritäten setzen.

Macht Ihnen der Tagebau in der Lausitz Sorgen?

Nicht so sehr, was die Quantität, sondern was die Qualität des Oberflächenwassers angeht. Die Sulfatwerte in der Spree sind in den letzten Jahren ziemlich stark gestiegen. Im Moment liegen sie bei 280 mg/l in bei Rahnsdorf. Das ist im Vergleich zu 2016 ein leichter Rückgang. Im Rohwasser des Wasserwerks Friedrichshagen haben wir zurzeit Werte um 200 mg/l, also noch deutlich unter dem Grenzwert von 250 mg/l. Vor drei Jahren lagen sie aber noch bei 150 mg/l. Es muss vermieden werden, dass die Werte weiter steigen.

Fördern Sie jetzt an anderer Stelle mehr Grundwasser, um es dem sulfathaltigen Uferfiltrat beizumischen?

Solange wir vom Grenzwert noch so weit entfernt sind, treffen wir auf der Förder- und Aufbereitungsseite keine konkreten Maßnahmen. Unser Handlungsspielraum ist hier begrenzt. Zwar gibt es Verfahren, um Sulfat aus dem Wasser zu entfernen. Die wurden in der benötigten Größenordnung in Deutschland aber noch nie angewendet und brächten einen erheblichen Energie- und Ressourcenverbrauch mit sich. Und es wäre es die Abkehr von der naturnahen Aufbereitung. Vor allem aber widerspricht so eine End-of-the-pipe-Lösung dem Verursacherprinzip.

Werden die Wasserbetriebe eine Ausnahmegenehmigung beantragen, falls die Sulfatkonzentration den Grenzwert übersteigt?

Darüber wollen wir nicht spekulieren, denn bei der Trinkwasserversorgung gilt das Minimierungsgebot. Ich muss Stoffe, die nicht ins Trinkwasser gehören oder in höheren Konzentrationen sogar schädigend wirken können, so weit wie möglich minimieren.

Ist der Sulfatwert auch für die Infrastruktur der Wasserbetriebe relevant?

Jeder Anstieg der Sulfatkonzentration birgt das Risiko biogener Schwefelsäurekorrosion. Wenn unsere Kollegen in einen Schacht steigen, müssen sie erst einmal mit einer Stange die Tritteisen abklopfen. Denn die können sich gelockert haben und nachgeben, weil sie rosten. Korrosion kann Abwasserkanäle auch anfälliger für Erschütterungen machen und schlimmstenfalls zu Leckagen führen.

In den Innenstadtbezirken fließen Abwasser und Regenwasser durch die gleichen Kanäle. Bei starkem Regen laufen diese über, sodass ungeklärte Abwässer in die Oberflächengewässer gelangen. Was tun die Wasserbetriebe dagegen?

Derzeit schaffen wir neue Stauräume, zum Beispiel am Mauerpark, teilweise auch direkt an den Kläranlagen, bis 2024 werden wir so rund 390.000 Kubikmeter Stauraum geschaffen haben. Eine Abkopplung der Abwasser- von der Regenwasserkanalisation würde das Problem der überlaufenden Mischwasserkanalisation zwar beseitigen, ist aber ein immenses Unterfangen und in versiegelten Innenstadtgebieten auch nicht machbar. Das schafft man nicht in fünf oder zehn und auch nicht in zwanzig Jahren. Deshalb muss flankierend eine dezentrale Regenwasserbewirtschaftung her, mit der man Abflussspitzen auffängt und gleichzeitig Stadtklima, Biodiversität und Grundwasserneubildung hilft.

Berlin wächst wieder. Was bedeutet mehr Wassernachfrage für die Grundwasserpegel?

In den letzten drei Jahren sind die Grundwasserstände im Umfeld unserer Wasserwerke deutlich gesunken. Das hat nicht so sehr damit zu tun, dass wir mehr fördern – das tun wir schon –, sondern dass es sehr trocken war. Wenn wir künftig mehr Wasser fördern, müssen wir sensible Ökosysteme wie Feuchtgebiete möglicherweise vor Grundwasserabsenkung schützen, etwa indem man Regen- und Oberflächenwasser in den Untergrund einbringt. Allerdings müsste dieses Wasser eine sehr hohe Qualität haben.

Sollten die Menschen in Berlin weniger Wasser verbrauchen?

Wir haben jahrelang gesagt, Wasser sparen ist unnötig, denn Wasser wird nicht verbraucht, sondern ist in einem Kreislauf unterwegs. Angesichts des sinkenden Grundwasserdargebots und sommerlicher Spitzen sind wir vorsichtiger geworden. Natürlich soll Wasser nicht verschwendet werden. Wichtiger ist aber, genau zu sehen, was man ins Abwasser gibt. Das ist idealerweise nur das, was bei normaler Nutzung in der Toilette zurückbleibt. Alle andere gehört zur BSR.

Dieses Interview erschien in der BUNDzeit 2017-3

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