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Flächenfraß konkret

28. Januar 2019 | Artenvielfalt, BUNDzeit-Artikel, Flächenschutz, Wälder, Immer.Grün

Neun Beispiele von grünen Freiflächen, die zeigen, dass ein Umsteuern in der Baupolitik nötig ist

Cornelsen-Wiese (Schmargendorf)

Zwischen Wiesbadener Straße, Sodener Straße und Dillenburger Straße plant ein Wohnungsbauunternehmen die Nachverdichtung seiner in den 1960ern entstandenen Siedlung (100 neue Wohnungen). Vorbildlich ist, dass der Flachbau des Getränkemarkts in der Wiesbadener Straße aufgestockt werden soll. Zwei neue Häuser möchte die Firma allerdings auf der Cornelsen-Wiese errichten (der namensgebende Verlag sitzt ein paar Meter weiter, wo der Franz-Cornelsen-Weg auf die Mecklenburgische Straße stößt). Die Wiese mit anderthalb Dutzend Obstbäumen gehört dem Unternehmen seit Jahrzehnten, allerdings liegt auf ihr eine Dienstbarkeit als öffentliche Grünfläche. Der Bezirk lehnt die Bebauung der Wiese bislang ab, die letzte Entscheidung steht aber noch aus.

Westkreuz (Charlottenburg)

Zwischen den Bahntrassen am Westkreuz wechseln sich auf 17 Hektar Wildnis und Kleingärten ab. Ende 2017 beschloss die Bezirksversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf, dieses grüne Kleinod per Bebauungsplan vor Bebauung zu schützen. Der Plan war, die Fläche zu erwerben, um dann einen öffentlichen Park mit Spiel- und Sportplätzen und jeweils einen kombinierten Fuß- und Radweg in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung zu errichten. Auch die Kleingärten sollten zum größten Teil erhalten bleiben. Doch im November 2018 verkaufte die Bahn den größten Teil des Areals überraschend an den Investor Uwe Gliem. Preis: erstaunlich günstige 6,5 Millionen Euro. Der Bezirk klagt nun sein Vorkaufsrecht ein. Mehr dazu im BUND-Blog www.umweltzoneberlin.de

Dahlemer Weg (Lichterfelde)

Am südlichen Ende des Dahlemer Wegs direkt gegenüber des Heinrich-Laehr-Parks besitzt der Bezirk Steglitz-Zehlendorf ein 12.000 Quadratmeter großes bewaldetes Grundstück, auf dem er Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge (MUF) errichten will. Das Gelände ist Teil eines Biotopverbunds, der bis zum Teltowkanal reicht; hier leben unter anderem Hornissen, Wildbienen, Ringelnattern, Schwanzmeisen, Kernbeißer, Buntspechte und Gimpel, auch Habichte, Mäusebussarde und ein Rotmilan wurden schon gesichtet. Der BUND fordert, die Unterkünfte auf bereits versiegelten Flächen in der näheren Umgebung zu bauen. In direkter Nachbarschaft bietet sich der Platz des 4. Juli an. Zu Redaktionsschluss stand übrigens die im Frühjahr 2018 fertiggestellte Unterkunft in der Lankwitzer Leonorenstraße immer noch leer. Für diese MUF waren Ende 2017 rund 200 Bäume eines historischen Parks abgeholzt worden. Dies schürt Befürchtungen, dass es weniger um Unterkünfte für Geflüchtete als vielmehr um vielmehr um die Schaffung von Bauland gehen könnte. Mehr dazu im BUND-Blog www.umweltzoneberlin.de

Hertha-Stadion (Ruhleben)

Der Berliner Bundesligist fühlt sich nicht wohl im Olympiastadion. Zu viele leere Plätze, zu große Distanz zu den Fans. Ein reines Fußballstadion soll also her. Die momentan favorisierte Fläche liegt am Rande des Olympiageländes zwischen Rominter Allee und Sportforumallee und gehört zum größten Teil dem Land. Der Olympiapark ist zwar verkehrlich gut angeschlossen, durch das neue Fußballstadion droht aber zusätzliche Bodenversiegelung. Zudem müssten geschätzte 1.000 Eichen, von denen einige wohl bis zu 250 Jahre alt sein dürften, gefällt werden. Das Bezirksamt CharlottenburgWilmersdorf geht davon aus, dass die Eichen Habitate für Fledermäuse, Vögel und Käfer darstellen.

Rias-Gelände (Britz)

Vor dem Krieg befand sich hier eine Baumschule, ab 1946 strahlte der Rundfunk im amerikanischen Sektor (Rias) und bis 2012 der Deutschlandfunk sein Programm aus. Nun will ein Hamburger Investor 1.200 Wohnungen errichten. Doch dafür müsste zuerst der Flächennutzungsplan geändert werden. Dem griff der Investor vor und ließ ohne Genehmigung und Artenschutzprüfung Bäume fällen und Häuser abreißen. Das zehn Hektar große Gelände, eine halboffene Landschaft mit Pfuhlkette, bildet einerseits mit dem Gutspark Britz auf der östlichen und den Kleingärten und Friedhöfen auf der westlichen Seite eine übergeordnete Grünverbindung und andererseits mit der Trasse der Neukölln-Mittenwalder Eisenbahn eine bedeutende Biotopverbindung in Nord-Süd-Richtung. Im Landschaftsprogramm war die Fläche perspektivisch als Landschaftsschutzgebiet „Ehemaliges Rias-Gelände mit Pfuhlkette“ aufgeführt.

Güterbahnhof Köpenick

Hier soll ein neues Stadtquartier mit 1.700 Wohnungen entstehen. Allerdings befinden sich auf dem stadtklimatisch wichtigen Areal auch geschützte Biotope: 7.967 Quadratmeter Trockenrasen (größtenteils im Baubereich) und 314 Quadratmeter Eichenmischwald. Untersuchungen von Flora und Fauna zeigen im Berliner und bundesweiten Vergleich eine sehr hohe Artenvielfalt. Nachgewiesen wurden fünf Fledermausarten, 41 Brutvogelarten, vier Reptilienarten, 135 Bienen- und Wespenarten, 15 Heuschreckenarten, 27 Tagfalterarten, 27 Nachtfalterarten, 64 Laufkäferarten und 106 Spinnenarten. Darunter sind zahlreiche Rote-Liste-Arten (vom Aussterben bedroht, gefährdet oder auf der Vorwarnliste). Im Februar 2018 ließ der Eigentümer, das Bundeseisenbahnvermögen, ohne Genehmigung mehrere Hektar Wald fällen, bis die Untere Naturschutzbehörde die Arbeiten stoppte. Mehr dazu im BUND-Blog www.umweltzoneberlin.de

Weidelandschaft Lichterfelde

Kaum ein anderer Ort in Berlin hat eine so hohe Artendichte wie der auch Parks Range genannte ehemalige US-Truppenübungsplatz direkt an der Grenze zu Brandenburg. Immerhin bleibt der größte und wertvollste Teil der Weidelandschaft als solche erhalten, wenn auch mehr bebaut wird als naturschutzfachlich gerechtfertigt. Ein weiteres Manko: Investor Groth plant nicht nur Etagenwohnungen, sondern auch viele flächenfressenden Einfamilienhäuser. Mehr zur Weidelandschaft Lichterfelde

Güterbahnhof Pankow

Auf dem 34 Hektar großen Gelände zwischen den S-Bahnhöfen Pankow und Pankow-Heinersdorf geht es nur noch um Schadensbegrenzung, denn dort wurde mittlerweile alles abgeräumt, was naturschutzfachlich Wertvolles wuchs und lebte, einschließlich der streng geschützten Kreuzkröte. Da der jahrelange Streit zwischen Bezirk und Investor Krieger um das Verhältnis Gewerbe zu Wohnungen im Grundsatz entschieden ist, geht es aus BUND-Sicht nun vor allem darum, das neue Viertel optimal an Rad- und ÖPNV-Infrastruktur anzubinden. So sollte unbedingt Platz für einen Fahrradschnellweg eingeplant werden.

Neue Mitte Tempelhof

Weil die öffentlichen Gebäude sanierungsbedürftig und den heutigen Anforderungen nicht mehr gewachsen sind, soll Tempelhof ein neues Zentrum bekommen. Zwischen Götzstraße, Felixstraße, Albrechtstraße und Tempelhofer Damm sind Anbauten am Rathaus Tempelhof und Neubauten von Bezirksbibliothek, Stadtbad und Polizei an leicht veränderten Standorten geplant. Außerdem sollen 500 Wohnungen entstehen. Positiv: Flächenfressende Parkplätze verschwinden. Negativ: Die Neubauten knabbern den grünen Kern des Karrees an und zwei Kleingartenkolonien sollen weg.

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2019-1. 

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