In den nächsten fünf Jahren entscheidet sich, ob Berlin seine Klimaziele erreicht und endlich wirksame Schritte gegen Biodiversitätsverlust und Ressourcenverschwendung unternimmt. Der dafür nötige sozial-ökologische Stadtumbau ist eine gigantische Querschnittsaufgabe, die alle Verwaltungen auf Landes- und Bezirksebene betrifft. Es wird spannend, ob, wann und wie Rot-Grün-Rot (RGR) sein Versprechen hält, ein mit dem Pariser Klimaabkommen kompatibles CO2-Budget festzulegen und auf die relevanten Sektoren Energieversorgung, Gebäude, Wirtschaft und Verkehr zu verteilen. Aber auch die Nichtregierungsorganisationen und Bürger*innen müssen sich engagieren, denn ohne Druck aus der Zivilgesellschaft wird es nicht funktionieren.
Naturschutz: Grüne Infrastruktur bewahren
RGR bekennt sich zwar zum Ziel „Netto-Null-Versiegelung“, aber erst ab 2030. Hinsichtlich des Flächenverbrauchs und der Vernichtung des Stadtgrüns verheißt der Koalitionsvertrag wenig Gutes. Die kurz vor Ende der letzten Legislatur von der SPD blockierte „Charta Stadtgrün“ will die Koalition zwar beschließen, bei Friedhofs-, Landwirtschafts- und Brachflächen aber eine „Abwägung mit entgegenstehenden anderen erheblichen öffentlichen Interessen“ vornehmen. In der Praxis schützt die Charta die Stadtnatur nicht, wenn jemand bauen möchte. Dabei bedeutet klimagerecht bauen doch nicht nur energiesparend, sondern auch flächenschonend bauen. Was außerdem bis 2026 wichtig wird: regelmäßige Kartierungen der Wildtiere und ihrer Habitate, ein ebenso energiesparendes wie insektenfreundliches Beleuchtungssystem, der Umbau der Berliner Wälder zu hitzeresistenten Mischwäldern, bessere Pflege der Stadtbäume und eine Ausdehnung der Baumschutzverordnung auf Park- und Obstbäume.
Abfall: Zeit für Zero Waste
Müll produzieren und verbrennen ist ein großes Klimaproblem, daher braucht Berlin klare Ziele, die auch ins Energieund Klimaschutzprogramm (BEK) aufgenommen werden: Bis 2030 soll die Restmüllmenge pro Kopf und Jahr auf 150 Kilo schrumpfen und bis 2045 auf 50 Kilo. Daraus folgt: weniger Müllverbrennung und mehr Bioabfallverwertung in einer (im Koalitionsvertrag erwähnten, aber noch längst nicht gebauten) zweiten Biogasanlage! Für die Restmülldiät braucht es deutlich mehr Abfallberatung, Umweltbildung und Ansprache aller Haushalte. Da von Bundes- und EU-Seite zu wenig gegen den Verpackungswahnsinn passiert, soll Berlin eine Verbrauchssteuer auf Einwegverpackungen für To-go- Gastronomie einführen und mit den Erlösen Mehrwegsysteme unterstützen. Um die Vermüllung des öffentlichen Raums zu stoppen, soll es mehr Kiezsperrmülltermine geben. Bei diesen Abholungen und in allen Recyclinghöfen soll Brauchbares aussortiert und dem BSR-Secondhand-Kaufhaus NochMall zugeführt werden.
Energie: Fossilarm heizen
RGR bekennt sich zum Kohleausstieg möglichst vor 2030. Das ist gut. Nun gilt es zu verhindern, dass Erdgas und Müll die neue Kohle werden. Die größte Herausforderung ist die sozialverträgliche energetische Gebäudesanierung, für die der Senat dringend eine Gesamtstrategie erarbeiten muss – immer unter der Maxime „umbauen, nicht abreißen“. Nur wenn die Heizwärme nicht sinnlos verpufft, lohnt es sich überhaupt, die zweitgrößte Herausforderung anzugehen, die Wärmeproduktion aus erneuerbaren Energien. Berlin muss sein großes Potenzial aus Solarthermie, Abwärme, Geothermie und nachhaltiger Biomasse nutzen, deren Anteil derzeit bei nur zwei Prozent liegt. Der BUND warnt davor, sich allzu sehr auf Wasserstoff als Energiequelle zu verlassen – sollte dieser später nicht in der notwendigen Menge und nicht zu angemessenen Preisen verfügbar sein, würden mit fossilem Erdgas betriebene Kraftwerke auf Jahre die Berliner Wärme erzeugen müssen. Das gilt es zu vermeiden.
Wasser: WRRL umsetzen
Statt Berlin zur Schwammstadt zu machen, die dank gespeichertem Wasser besser mit Starkregen und Hitzephasen umgehen kann, hat RGR einen Koalitionsvertrag vereinbart, der in Sachen Wasser selbst ziemlich schwammig bleibt und in einigen Punkten sogar Rückschritte bringt, etwa bei den nach unten korrigierten Zielen bei der Entkopplung des Regenwassers von der Mischwasserkanalisation. Zwar erwähnt das Dokument die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), deren Ziele bis 2027 erreicht werden müssen, sagt aber nichts zur Umsetzung. Dabei bräuchte es dafür einen ressortübergreifenden Aktionsplan und Investitionen in den Gewässerschutz. Apropos Geld: Die Landesregierung muss für die Entnahme von Oberflächenwasser etwa für die Kühlung von Kraftwerken Entgelt verlangen, die Wasserpreise für Verbräuche wie zum Beispiel Rasensprengen und Poolbefüllen, die über den täglichen Bedarf hinausgehen, anheben und die Einnahmen für den Gewässerschutz ausgeben. Weitere wichtige Aufgaben bis 2026: Mindestgrundwasserstände zum Schutz der wasserabhängigen Schutzgebiete wie zum Beispiel Moore festlegen und direkte Regenwassereinleitung in die Mischwasserkanalisation senken, um bei Starkregen Überläufe von Fäkalien in unsere Gewässer zu verhindern.
Mobilität: Abschied von der Autostadt
Mehr Busse, neue Tram- und S-Bahnstrecken, Ausbau der Fahrradinfrastruktur, Barrierefreiheit und Verkehrsberuhigung sowie die Absage an die A100-Verlängerung über den Treptower Park hinaus: Die verkehrspolitische Agenda von RGR ist in vielerlei Hinsicht fortschrittlich und ambitioniert, aber noch lange nicht vor BUND-Kritik sicher. Konfliktreich wird es bei Straßenbauprojekten wie bei der Tangentialen Verbindung Ost (TVO) durch die Wuhlheide und extrem teuren, langwierigen und in der Klimabilanz kontraproduktiven U-Bahnstrecken. Besonders unsinnig wäre eine Verlängerung der U7 zum BER, schließlich ist und bleibt der Luftverkehr ein Super-Klimakiller, daran ändert auch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Augenwischerei eines „klimaneutralen Flughafens“ nichts.
Alle BUND-Forderungen unter www.BUND-Berlin.de/rgr
Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2022-1.