BUND Landesverband Berlin
Mitglied werden Jetzt spenden
BUND Landesverband Berlin

Wie viele Wohnungen braucht Berlin wirklich?

15. Februar 2022 | Bauen, BUNDzeit-Artikel, Flächenschutz, Immer.Grün, Stadtentwicklung

Für die neue Legislaturperiode hat sich der Senat ganz dem Wohnungsneubau verpflichtet. Eine BUND-Analyse zeigt jedoch, dass die Zahlen hinter den Regierungsplänen mit größter Vorsicht zu genießen sind.

Für die Zeit bis 2030 gibt die rot-grün-rote Koalition in Berlin ein Neubauziel von 200.000 Wohnungen insgesamt und 20.000 pro Jahr aus. Rund 51.000 Wohnungen sollen laut Koalitionsvertrag in 16 neuen Stadtquartieren entstehen. Diese Neubaupläne haben enorme ökologische Auswirkungen: Bodenversiegelung, Verlust von Biodiversität und kühlendem Grün, hoher Energieaufwand bei der Zementherstellung und neue Verkehrsströme. Nicht zuletzt bindet Neubau finanzielle und personelle Ressourcen, die sinnvoller in den Umbau und in die energetische Sanierung der Bestandsgebäude investiert wären. Deshalb ist es für den BUND eine naheliegende Aufgabe, die den wohnungspolitischen Zielen zugrunde liegenden Zahlen kritisch zu hinterfragen.

Mit welchem Rechenmodell der Wohnungsbedarf ermittelt wird, legt der Stadtentwicklungsplan (StEP) Wohnen 2030 aus dem Jahr 2019 fest. Dieser rechnete mit einer Bevölkerungszunahme um 383.000 Personen auf 3,85 Millionen Einwohner*innen von 2013 bis 2030. Unter der Annahme einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 1,75 Personen und angesichts von knapp 40.000 neugebauten Wohnungen zwischen 2013 und 2016 bezifferte der StEP den Bedarf auf 194.000 Wohnungen bis 2030. Weitere 68.000 neue Wohnungen kamen zwischen 2017 und 2020 hinzu, sodass der aus dem StEP abgeleitete Bedarf ab 2021 126.000 betrug.

Diese Menge teilt sich wiederum in „Entlastungsbedarf“ für bestehende Knappheit und „Wachstumsbedarf“ für die prognostizierte demografische Entwicklung auf. Nach einer neuen Prognose von 2019 sollte die Bevölkerung bis 2030 auf 3,92 Millionen wachsen, was den Wohnungsbedarf im StEPModell um 41.600 erhöhte. Weil die Zahl der Einwohner*innen 2019/2020 jedoch stagnierte, korrigierte die bis Ende 2021 von den Linken geführte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung den Bedarf wieder nach unten, sodass eine Zahl von rund 121.000 ab 2022 zu bauenden Wohnungen übrigblieb.

SPD setzt auf veraltete Bevölkerungsprognose

Wie kommt nun die Zahl 200.000 in den Koalitionsvertrag? Hier hat sich die SPD durchgesetzt, deren „Fachausschuss Soziale Stadt“ mit der überholten Bevölkerungsprognose von 3,96 Millionen im Jahr 2030 rechnet und unter Annahme eines höheren Leerstands einen Bedarf von bis zu 253.000 Wohnungen zwischen 2018 und 2030 ermittelt, von denen bislang 52.000 gebaut wurden. Die zweite mit der demografischen Entwicklung verbundene Variable ist die Haushaltsgröße, die zwischen 2012 und 2019 von 1,75 auf 1,79 stieg. Viele der in den vergangenen Jahren zugewanderten jüngeren Menschen sind nun in ihre Verpartnerungs- und Reproduktionsphase eingetreten. Dieser Trend soll laut Bevölkerungsfortschreibung des Statistischen Bundesamts anhalten, sodass bis 2030 eine durchschnittliche Haushaltsgröße von 1,80 realistisch sein dürfte. Damit sinkt der vom Senat ermittelte Bedarf von 121.000 Wohnungen um rund 39.000. Wobei eine wachsende Haushaltsgröße zwar weniger, dafür aber tendenziell größere Wohnungen erforderlich macht.

Dem Bedarf stellt der StEP ein Baupotenzial von 199.000 Wohnungen gegenüber, von denen 42.000 als „kleinteilig“ gelten. Das sind vor allem aufgefüllte Baulücken, ausgebaute Dachgeschosse, Aufstockungen et cetera. Zusammen mit den 65.000 bereits genehmigten oder im Bau befindlichen Wohnungen sollte das kleinteilige Potenzial ausreichen, den Bedarf an Neubauwohnungen in Berlin zu decken. Notwendig wäre allerdings eine transparente Darstellung des Wohnflächenpotenzials, wie es Hamburg schon vorbildlich tut. Und noch wichtiger: Rot-Grün-Rot darf sich nicht länger auf den Neubau als Allheilmittel verlassen. Stattdessen muss der Bestand effizient genutzt werden, zum Beispiel durch Wohnungstauschbörsen, erleichterte Untervermietung und Unterstützung für Umbauten. Sonst wird es Berlin sehr, sehr schwer haben, seine Klimaziele zu erreichen.

Die vollständige Analyse unter www.BUND-Berlin.de/neubau

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2022-1.

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb