Kleingewässerreport 23/24: Artenschutz am Wasser endlich ernst nehmen!

15. Oktober 2024

Viele Berliner Kleingewässer sind für Amphibien verloren, teilweise dauerhaft

Foto: BUND Berlin

Berlin, 15.10.2024: Im Kleingewässerreport 23/24 hat der BUND Berlin die Kleingewässer in den vier Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Spandau und Treptow-Köpenick untersucht. Unsere Besichtigungen und Wertungen ergaben, dass 58 (53,3 Prozent) der 108 Kleingewässer innerhalb der vier untersuchten Bezirke einen potenziell guten Lebensraum für Amphibien bieten. 35 (32,4 Prozent) der untersuchten Gewässer sind als Amphibienlebensraum von uns als beeinträchtigt gewertet worden. Unserer Einschätzung nach könnten hier aber bereits geringe Pflegemaßnahmen das Gewässer in kurzer Zeit aufwerten und so den Lebensraum sichern.

13 (12,3 Prozent) der untersuchten Gewässer sind von uns als stark beeinträchtigt gewertet worden und waren teilweise bereits dauerhaft trockengefallen. Nach unserer Einschätzung ließen sich diese jedoch mit größeren Eingriffen als Amphibienlebensraum wiederherstellen. Zwei Gewässer waren ausgetrocknet (Tabelle Seite 18 im Report, vollständige Liste aller bewerteten Gewässer im Anhang des Reports ab Seite 31).

Mit Vorliegen des vierten Kleingewässerreports hat der BUND Berlin seit 2020 über 600 Kleingewässer in allen zwölf Berliner Bezirken inspiziert. Erschreckend sind in der stadtweiten Bilanz die außerordentlich großen Pflegeversäumnisse und das Ausmaß der Folgen siedlungs- und niederschlagsbedingter Grundwasserabsenkungen. Damit sind viele Gewässer als Lebensraum für Amphibien verloren, teilweise dauerhaft. Andererseits überraschte die relativ hohe Zahl von neuen künstlich angelegten Teichen, die zuweilen eine bessere Biotopverfassung boten als natürliche Gewässer.

Es ist schon erschreckend zu sehen, wie wenig Rücksicht in Berlin auf den Artenschutz im Allgemeinen genommen wird. Amphibien sind dafür ein gutes Beispiel, da sie sowohl Wasser- als auch Landlebensräume benötigen. Es nützt nichts, wenn gute Gewässerstrukturen vorhanden sind, die Tiere aber nicht aus dem Wasser herauskommen und weder Futter noch Unterschlupf an Land finden“, sagt Norbert Prauser vom Team Naturschutz des BUND Berlin.

Den vollständigen Kleingewässerreport 23/24 des BUND Berlin finden Sie unter diesem Link.

Terminhinweis: Öffentlich vorgestellt und diskutiert wird der Kleingewässerreport 23/24 am Montag, 4. November um 18 Uhr vor Ort in der BUND-Landesgeschäftsstelle, Crellestraße 35, 10827. Die Teilnahme ist auch online per Zoom-Konferenz möglich unter diesem Link.

 

Elf-Punkte-Plan


Der BUND Berlin hat elf Forderungen aufgestellt, um Berlins Kleingewässer wieder in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen. Folgend die Kurzfassung (ausführlich ab Seite 26 im Kleingewässerreport).

1. Sofort-Programm „50 lebendige Kleingewässer für Berlin – den Fröschen helfen!“
Die weit verbreitete Vernachlässigung vieler Kleingewässer-Biotope erfordert ein Sonderprogramm, um diese zeitnah zu sanieren. Das 2023 vom Land auf den Weg gebrachte Kleingewässerprogramm bietet hierfür Potenziale und sollte unbedingt verstetigt und gestärkt werden

2. Umsetzung des Kleingewässerprogramms
In den Landeshaushalt sind für das Kleingewässerprogramm 2024-2025 erfreulicherweise insgesamt 9,3 Mio. Euro eingestellt worden. Das Geld sollte dazu verwendet werden, zunächst für die einzelnen prioritären Gewässer Entwicklungskonzepte mit konkreten Maßnahmen zu erarbeiten.

3. Biotop-Entwicklungsprogramm Regenrückhaltebecken
Bestehende Regenrückhaltebecken sollten genutzt werden, um dort weitere Lebensräume für Amphibien zu entwickeln.

4. Ausgleichs-/Ersatz-Programm für erloschene Kleingewässer
Infolge massiver Baumaßnahmen und den damit einhergehenden Grundwasserabsenkungen wächst die Liste der verschwundenen Kleingewässer-Biotope. Diese Entwicklung muss gestoppt werden und ein integriertes Ersatz- bzw. Aufbauprogramm für bereits verloren gegangene Gewässer-Biotope der letzten Jahrzehnte aufgesetzt werden.

5. Aufbau einer stabilen finanziellen Basis der Bezirksämter für die Gewässerpflege
Die Straßen- und Grünflächenämter müssen seit der Bezirksreform 2001 ca. zwei Drittel aller Standgewässer der Stadt betreuen – ohne, dass jemals für deren fachgerechten Unterhalt eine Finanzierung bereitgestellt wurde. Der Senat muss die Straßen- und Grünflächenämter stärken und im nächsten Haushalt Geld für die Pflege von Kleingewässern zur Verfügung stellen.

6. Niederschlagswassergebühr nachweislich für die Gewässerreinhaltung verwenden und konsequente Einführung des Verursacherprinzips
Wir fordern eine größere Transparenz bei der Verwendung der Gebühren, in dem die Mittelverwendung in einer jährlichen Berichterstattung in Hinblick auf die Gewässerreinhaltung dargelegt wird. Zudem müssen die Einnahmen aus der Niederschlagswassergebühr konsequent für die Gewässer (auch für eine ausreichende Wasserversorgung) eingesetzt werden.

7. Vorreinigung von Regenwassereinleitungen
Verschmutztes Regenwasser darf nicht mehr ungefiltert in Kleingewässer eingeleitet werden.

8. Aufbau eines Kleingewässer-Katasters und Aktualisierung der Roten Liste der Lurche/Amphibia
Wir fordern eine zuverlässige Erfassung aller Kleingewässer als sichere Datenbasis für zukünftige Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen, die auch für die dringend notwendige Aktualisierung der Roten Liste der Lurche/Amphibia (8) aus 2015 hilfreich wäre. Die Bestandsaufnahmen sollten in ein systematisches wie regelmäßiges Kleingewässermonitoring eingebettet werden.

9. Förderung der Schwammstadt
Berlin soll sich künftig durch unterschiedliche Maßnahmen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung mit Feuchtigkeit vollsaugen können wie ein Schwamm. Nur so werden wir den natürlichen Wasserkreislauf, der durch die starke Versiegelung in der Stadt gestört ist, wieder annähernd herstellen können.

10. Stärkung der Aus- und Weiterbildung für die ökologische Gewässerunterhaltung
Oftmals fehlen den beauftragten Firmen vor Ort die Fachkenntnisse für die ökologische und nachhaltige Pflege von Kleingewässern. Wir fordern eine stärkere Kontrolle der Firmen sowie einen Erfahrungsaustausch mit Expert*innen und die Förderung von Ausbildungsmodulen in Forschung und Lehre.

11. Nachweisbare Aufnahme der Kleingewässer in die Anwendung der Umweltziele der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)
Zurzeit wird nur für die städtischen Flüsse, Seen und Grundwasser beabsichtigt, die Ziele derWRRL umzusetzen. Das reicht schon allein deshalb nicht, weil die meisten der mehr als 700 Berliner Kleingewässer mit diesen Wasserkörpern verbunden sind und auf ihre Situation einwirken können. Übergreifend fordert der BUND Berlin zusammen mit weiteren Partnern im Wassernetz Berlin, dass ein landesweiter Aktionsplan zur Behebung der defizitären Umsetzung der WRRL in Berlin auf den Weg kommt..

Kontakt:

Norbert Prauser, Tel: 030-78 79 00 54, prauser(at)bund-berlin.de
Dirk Schäuble, Referent für Naturschutz beim BUND Berlin, Tel: 030-78 79 00 39, schaeuble@bund-berlin.de

 

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