Berlin, 28.01.2023: Die Umweltverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Berlin), Naturfreunde Berlin sowie die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) mahnen an, dass vor Abschluss des artenschutzrechtlichen Ausnahmeverfahrens keine vorzeitigen Baumfällungen in der Pankower Ossietzkystraße durchgeführt werden. In den auch als „Grüne Höfe Pankow“ bekannten Innenhöfen sollen bei Rodungsarbeiten mehr als 60 Bäume gefällt und die gesamte Vegetation beseitigt werden.
Ein Gutachten der AG Artenschutz der Naturfreunde im Auftrag der Anwohner*innen hatte 21 Reviere festgestellt, die durch die Europäische Vogelschutzrichtlinie geschützt sind und Ausgleichsmaßnahmen erfordern, zuzüglich streng geschützter Fledermausarten.
„Wir hoffen sehr, dass niemand die Absicht hat, einen offenen Rechtsbruch zu begehen und die Bäume an der Ossietzkystraße vor einer abschließenden Klärung des Artenschutzes fällen zu lassen. Die Erfüllung artenschutzrechtlicher Anforderungen ist Voraussetzung für jede Baumaßnahme, ob dabei nun Wohnungen, Unterkünfte oder Industriegebäude errichtet werden sollen. Seit mindestens fünf Jahren wird an dieser Baustelle geplant und es wäre ausreichend Zeit gewesen, die Regelungen zu berücksichtigen und einen Baustopp zu vermeiden. Sonderbaurecht ist kein Freifahrtschein, um alle Vorschriften ignorieren zu können“, so der BUND Berlin.
Die Umweltverbände kritisieren, dass bisher keine vorgezogenen Artenschutzmaßnahmen zum Erhalt von Höhlenbrütern und Fledermäusen ergriffen worden sind und auch keine entsprechenden Ausnahmegenehmigungen eingeholt wurden., obwohl ein von der Gesobau selbst beauftragtes Gutachten vorliegt.
Die Naturfreunde bemängeln, dass bei Nachverdichtungen in Berlin zunehmend festzustellen ist, dass die durch Bauherren beauftragten Gutachter- bzw. Planungsbüros die Anforderungen an Kartierungen und artenschutzrechtliche Genehmigungsprozesse nur mangelhaft erfüllen. Dabei kann mit relativ wenig Aufwand rechtssicher gebaut und Verzögerungen vermieden werden, indem Nisthilfen und eine ökologische Begrünung zeitig eingeplant werden.
Solche Maßnahmen fördern zudem die Lebensqualität, Umweltgerechtigkeit und notwendige Klimaanpassung. Berlin hat sich sogar verpflichtet, die biologische Vielfalt bei städtebaulichen Planungen zu fördern.
Nachdem bereits 2019 ein Bauantrag für eine reguläre Wohnbebauung der Innenhöfe an der Ossietzkystraße vom zuständigen Bezirksamt als nicht genehmigungsfähig zurückgewiesen worden ist, wurde der Bauantrag erneut eingereicht; diesmal unter Nutzung des Sonderbaurechts für Flüchtlingsunterkünfte. Die Fällgenehmigungen für 36 nach Baumschutzverordnung geschützte Bäume sind schon im Februar 2023 ausgestellt, jedoch bis zur Fertigstellung eines Artenschutz-Gutachtens im Sommer nicht vollzogen worden.
Der BUND Berlin erklärt: „Wir sind uns dessen bewusst, dass Unterkünfte für schutzbedürftige Menschen benötigt werden. Angesichts der Vorgeschichte müssen wir aber auch feststellen, dass wir uns schon 2019 beim regulären Bauantrag gegen die Baumfällungen und Strauchrodungen eingesetzt hätten.
Es gibt keinen grundlegenden Konflikt um die Schaffung von Wohnraum an dieser Stelle. Es geht ausschließlich darum, dass die Gesobau eine übermäßig verdichtete Bebauung durchsetzen will, die deutlich über das Maß der Bebauung in dieser Gegend hinausgeht. Das Verhalten der Gesobau, die die Gebäude erst als Wohngebäude und nun als Flüchtlingsunterkünfte bauen will, nährt den Verdacht, dass das Sonderbaurecht für Flüchtlingsunterkünfte hier missbraucht wird, um eine ansonsten unzulässige Bebauung durchzusetzen.“
Umweltverbände und Anwohner*innen unterstützen ein reguläres Bebauungsplan-Verfahren, in dem die Belange der Anwohner*innen sowie die von Natur- und Umweltschutz ausreichend berücksichtigt werden. Mit dem B-Plan, der sich seit 2021 in Aufstellung befindet, würde auch Wohnraum in den Höfen geschaffen werden – bei gleichzeitigem Erhalt fast aller Bäume und des von der Anwohnerschaft dringend benötigten Spielplatzes.
Pressekontakt:
Christian Hönig, Baumschutzreferent BUND Berlin Tel: 030-78 79 00 58, hoenig(at)bund-berlin.de