Pressemitteilung vom 16.06.2025
Berlin. In immer mehr Regionen Deutschlands wird das Grundwasser knapp. Auch in Berlin. Das ist das zentrale Ergebnis einer heute veröffentlichten Studie des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Untersuchung, die das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) im Auftrag des BUND durchgeführt hat, zeigt: In Berlin stehen alle Grundwasserkörper unter Stress. Jährlich werden aus ihnen deutlich mehr als die maximal empfohlene Menge von 20 Prozent der neu gebildeten Grundwassermenge entnommen.
Die Studie zeigt auch: Die Klimakrise verschärft das Problem. Deutschlandweit sind 94 Landkreise von akutem Grundwasserstress betroffen. Hier sind die Grundwasserstände in den letzten Jahren signifikant gesunken. In nahezu allen Bundesländern haben die Grundwassermessstellen neue Tiefststände verzeichnet. Dieses trifft laut der Studie auch für die Hauptstadt zu, weshalb ein akuter Grundwasserstress besteht.
Verena Fehlenberg, Referentin für Stadtnaturschutz beim BUND Berlin: „Unsere Grundwasserreserven werden systematisch übernutzt. Bekannt ist ein Rückgang der Grundwasserstände von im Mittel bis zu 60 cm während der letzten Dürreperiode. Auch aktuell zeigen laut Wasserportal des Landes Berlin viele Grundwassermessstellen niedrige bis extrem niedrige Pegel auf. Besonders betroffen ist der Südosten Berlins: Dort wird 40 Prozent mehr gefördert, als durch Niederschlag wieder ausgeglichen werden kann. Auch in anderen Gebieten Berlins sind wichtige Lebensräume wie Moore, Wälder und Kleingewässer durch Austrocknen gefährdet.Wir sehen das beispielsweise am meist ausgetrockneten Unterlauf des Fredersdorfer Mühlenfliesses, das in den Müggelsee mündet. Aber auch im Grunewald sind viele Gewässer infolge der zu hohen Trinkwasserförderung nahezu ganzjährig ausgetrocknet oder werden wie die Grundwaldseenkette durch Wasserzufuhr aus der Havel künstlich am Leben gehalten. Unter der Wasserknappheit leiden aber auch nicht nur die Gewässer, sondern auch die Waldbäume und Moore. Dürreperioden und Extremwetterlagen, die eine Folge der Klimakrise sind, verschärfen die Lage weiter.“
Nutzung durch Zweckentfremdung von Trinkwasser
Die Studie analysiert erstmals deutschlandweit flächendeckend, wo und von wem Grundwasser in Deutschland genutzt wird. Über die Hälfte des Grundwassers wird für die Versorgung mit Trinkwasser entnommen, wobei nur ein geringer Teil tatsächlich hierfür verwendet wird. Mehr als 70 Prozent des Verbrauchs ist auf Duschen, WC-Spülung, Befüllung von Swimming-Pools und Rasensprengen zurückzuführen. Durch die weitere Bevölkerungszunahme und dem Bau neuer Stadtquartiere und Straßen werden noch mehr Flächen in Berlin versiegelt, so dass dort kein Regenwasser mehr zum Grundwasser gelangen kann. Zudem wird in Zukunft mit dem Wachstum Berlins deutlich mehr Wasser aus dem Untergrund entnommen, wenn unser wichtigstes Lebensmittel weiterhin so vergeudet wird. Dabei können laut Studie mehr als 30 Prozent des Verbrauchs in Privathaushalten z.B. durch Wiederverwendung von Spül- und Waschmaschinenwassers für die Toilettenspülung eingespart werden. Die Technik dafür gibt es.
Handlungsempfehlungen: Transparenz, Entgelte, Schutz vor Verschmutzung
Die Nationale Wasserstrategie der Bundesregierung sieht viele wirksame Maßnahmen vor, die zeitnah auch in Berlin mit der Wasserstrategie für die Hauptstadtregion und mit den Gewässerschutzplanungen gemäß der europäischen Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt werden sollten. Der BUND fordert:
- Weniger verbrauchen und fair verteilen: Berlin kommt nicht umhin, seinen übermäßigen Verbrauch an Trinkwasser zu drosseln. Schonende Nutzungen müssen priorisiert werden, damit Mensch und Natur auch in Zukunft verlässlich mit Wasser versorgt werden. Zu einem gerechten Wasser-Zugang gehört, dass alle einen fairen Preis zahlen. Wassergebühren müssen so angepasst werden, dass Großverbraucher auch einen höhere Mengenpreis pro m³ zahlen sollten. Aktuell gibt es zudem Ausnahmen bei der Erhebung von dem Grundwasserentnahmeentgelt und ein Oberflächenwasserentnahmeentgelt wird bislang noch nicht erhoben. (Groß-) Nutzungen wie Wasser-Entnahmen von fossilen Kraftwerken bleiben kostenfrei. Auch muss das Aufkommen aus den Entgelten zweckgebunden für den Gewässerschutz ausgegeben werden.
- Sauber halten: Gesundheitsschädliche Chemikalien wie PFAS, die sich in der Umwelt und im menschlichen Körper anreichern und dort bleiben (sogenannte Ewigkeitschemikalien), aber auch Pestizide, Nährstoffe und Arzneimittel machen es für Wasserversorger immer schwerer und teurer, hochwertiges Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Die Herstellung und Nutzung dieser Stoffe muss eingeschränkt werden und die Hersteller einen Preis für die Gewässerschutzkosten bezahlen.
- Wasservorräte stärken. Mindestgrundwasserstände sicherstellen: Humusreiche Böden, naturnahe Wälder und Flüsse, strukturreiche Auen, nasse Moore, Kleingewässer und sogenannte Schwammstädte helfen, dass der Boden die Niederschläge wieder besser halten kann. Gezielte Fördermaßnahmen sind nötig, um Widerstandsfähigkeit und Renaturierung dieser Ökosysteme zu stärken. Zudem bedarf es zum Erhalt der wasserabhängigen Wald- und Moorschutzgebiete die Festlegung und Durchsetzung von Mindestgrundwasserständen.
„Wasser ist unsere Lebensgrundlage. Es wird verschmutzt und ist knapp. Wir fordern, dass auch das Land die Wasserentnahmeentgelte und Wassergebühren so anpasst, dass es unseren Gewässern wieder besser geht und auch die längst überfälligen Anstrengungen zur Gesundung unserer Gewässer erfolgen. Dafür setzen wir uns auch im Rahmen unseres Projektes Wassernetz Berlin gegenüber Senat und Politik ein “, so Christian Schweer vom Wassernetz Berlin. Am kommenden Donnerstag werden diese und weitere zentrale Anregungen um 8:30 Uhr auch den umweltpolitischen Sprecher*innen des Abgeordnetenhauses überreicht.
Hintergrundinformation zur Studie:
Grundwasser ist eine besonders wichtige Ressource. Mehr als zwei Drittel des Trinkwassers werden aus ihr gewonnen. Ebenso versorgt das Grundwasser Pflanzen und Böden und speist Kleingewässer. Darüber hinaus ist es selbst ein einzigartiges Ökosystem für Kleinsttiere und Mikroorganismen. Aber auch für wirtschaftliche Zwecke sind wir abhängig vom Grundwasser.
Allerdings sieht sich Deutschland, traditionell als wasserreiches Land angesehen, zunehmend mit Problemen der Wasserverfügbarkeit konfrontiert. Neben Verschmutzungen durch Nitrat, Phosphat, Ewigkeitschemikalien (PFAS) sowie Pflanzenschutz- und Arzneimittel, stellt auch die Verfügbarkeit von Wasser in bestimmten Regionen und zu bestimmten Zeiten eine Herausforderung dar. Diese Entwicklungen führten bereits zu Konsequenzen für die öffentliche und nichtöffentliche Wasserversorgung, für Ökosysteme und Gewässer: Austrocknung von Kleingewässern, großflächiges Waldsterben und Ernteausfälle. Gleichzeitig kommt es immer wieder zu Starkregen und Überflutungen. Zusätzlich zu diesen klimatischen Entwicklungen erhöhen auch ein verändertes Nutzungsverhalten und ökonomische Transformationen den Druck auf die Wasserressourcen in Deutschland. Heiße, trockene Sommertage lassen den Wasserbedarf von Privathaushalten, Kühlungs- und Bewässerungsanlagen sprunghaft ansteigen. Im Hitzesommer 2023 wurde der Wasserverbrauch beispielsweise in über 80 Landkreisen in Deutschland eingeschränkt. Außerdem kann die Ansiedelung von wasserintensiven Rechenzentren, Batterie- oder Halbleiterfabriken den gegenwärtigen Wasserbedarf in bestimmten Regionen langfristigen erhöhen. Wenn aber die Ressourcennutzung das natürliche Wasserangebot übersteigt, kommt es zu Wasserstress und in Folge dessen zu negativen Auswirkungen für Mensch und Natur.
Mehr Informationen:
- Studie: Grundwasserstress in Deutschland: Struktureller und akuter Grundwasserstress durch öffentliche und nichtöffentliche Entnahmen auf Ebene der Landkreise
- Kurzfassung der Studie
- Grafik: Deutschlandkarte Grundwasserstress Landkreise
- BUND-Wasseratlas: Daten und Fakten über die Grundlage allen Lebens
Kontakt:
- Verena Fehlenberg, Referentin für Stadtnaturschutz des BUND Berlin: Tel.: 030-7879 00 59, mobil: 0176 32 004 884; E-Mail: Fehlenberg(at)bund-berlin.de
- Moritz Böttcher, Referent für Rohstoff- und Ressourcenpolitik, Tel.: 030-27586334; E-Mail moritz.boettcher(at)bund.net