Mit Architektur biologische Vielfalt fördern – Fachtagung zum tierfreundlichen Bauen in Berlin

21. September 2022 | Artenvielfalt, Bauen, Infrastruktur, Nachhaltigkeit, Naturschutz, Stadtnatur, Stadtentwicklung, Gesundheit, Vögel

 (Karen Hammega)

Info 23 / Berlin, 21. September 2022: Schätzungsweise 100 Millionen Vögel verenden jährlich allein in Deutschland nach Kollisionen mit Glasfassaden. Allein in Berlin geht die zuständige Senatsverwaltung von vier Millionen Vögeln aus, die pro Jahr nach einem Anprall an Glasflächen verenden. Und obwohl die Baustoffindustrie seit vielen Jahren tierfreundliche Lösungen im Angebot hat, werden bis heute auch Neubauten in einer Form genehmigt, in der sie zur Todesfalle für Vögel werden.

Die Fachtagung Architektur und Biologische Vielfalt bringt am 27. September am Deutschen Architekturzentrum in Berlin Forschende zum Thema Artenschutz am Bau zusammen mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Architektur, Projektentwicklung und der Wohnungswirtschaft. Die Teilnehmenden erhalten Einblick in den Stand der Forschung und Lösungen für einen besseren Schutz der belebten Umwelt.

„Der direkte Austausch zwischen Wissenschaftler*innen zum Artenschutz an Bauten und jenen, die Bauvorhaben umsetzen, ist etwas Besonderes, das es in dieser Form bisher nicht gegeben hat“, sagt Claudia Wegworth vom Umweltverband BUND Berlin. Sie ist fachliche Leiterin der Konferenz. „Dass es bereits architektonisch ansprechende Lösungen für den Vogelschutz am Bau gibt, muss noch viel stärker ins Bewusstsein der Branchen rücken“, so die Ornithologin. „Der millionenfache Vogeltod an Glasflächen ist im Gegensatz zu anderen Bedrohungen mit relativ einfachen Mitteln vermeidbar“, unterstreicht Wegworth.

Auf der Konferenz wird nicht nur die Bedrohung von Vögeln durch Glasfassaden thematisiert. Auch die Art und Intensität von Beleuchtung kann über Bestand und Vielfalt vieler Tierarten entscheiden und mit der richtigen Planung kann ein Gebäude nicht nur zum Lebensraum für Menschen sondern auch für Tiere werden.

„Bei den Diskussionen um die Stadtnatur oder den Bestimmungen für nachhaltiges Bauen sind Themen wie Glasfassaden, nachhaltige Beleuchtungskonzepte und der Schutz und die Förderung von Gebäudebrütern bisher nicht stark genug vertreten worden. Es sind in ihrer Wirkung wichtige Stellschrauben, wenn wir über biologische Vielfalt sprechen“, sagt Claudia Wegworth. In den USA gelten, nach den Todesraten gerechnet, Glasfassaden nach Katzen als zweitgrößte menschengemachte Bedrohung von Vogelpopulationen.

Professor Dr. Thomas E. Hauck von der Technischen Universität Wien wird das Konzept des Animal Aided Design vorstellen, das er zusammen mit Professor Dr. Wolfgang W. Weisser von der Technischen Universität München entwickelt hat. Der von der Bezeichnung Computer Aided Design (CAD) inspirierte Name der Methode lässt sich wörtlich als „von Tieren unterstütztes Entwerfen“. „Die Idee ist, die Bedürfnisse von Tieren in die Gestaltung zu integrieren, aber nicht als eine Belastung, sondern als Inspiration und Bereicherung“, beschreibt Hauck den Ansatz. „Animal Aided Design soll helfen, Habitate für wildlebende Tiere dort herzustellen, wo derzeit keine sind“, so Hauck weiter. „Einen Nistkasten aufzuhängen, reicht nicht, wenn den Vögeln in der Umgebung die Nahrung fehlt. Man muss wissen, dass zum Beispiel Haussperlinge ihr Futter in der Regel nur in einem bestimmten Umkreis suchen. Wenn dort kein Futter vorhanden ist, funktioniert die Brut nicht“, erläuterte Hauck kürzlich in einem Interview mit der „BUNDZeit“.

Auf der Konferenz wird auch der Architekt Jan Musikowski vom Büro Richter Musikowski sprechen, das das Futurium in Berlin-Mitte entworfen hat. Der 2019 eröffnete „Ort für Präsentation und Dialog zu Wissenschaft, Forschung und Entwicklung“ nahe des Berliner Hauptbahnhofs wird mit speziellen Folien optimiert, um Vogelschlag zu vermeiden.

„Oft ist Bauverantwortlichen gar nicht bewusst, dass es verbindliche naturschutzrechtliche Regelungen gibt, die sich auch auf die Gestaltung des Baus beziehen. Daher kann es passieren, dass auch nach Vorliegen einer Genehmigung oder Abschluss eines Baus Naturschutzbehörden Nachforderungen stellen, die unter Umständen teuer werden können“, sagt BUND-Expertin Claudia Wegworth. Im Gesetzentwurf für die geplante Novellierung der Berliner Bauordnung sind diese Aspekte explizit erwähnt. „Das würde mehr Bewusstsein für die naturschutzrechtlichen Anforderungen schaffen“, so Wegworth.

Um eine halbe Million Euro verteuerte sich beispielsweise das 2019 eröffnete Bauhaus Museum Dessau, bei der die Glasfassade kurz vor Fertigstellung mit einem dünnen Streifenmuster nachgerüstet werden musste. „Am Berliner Hauptstadtflughafen BER wird der nach wie vor nur teilweise umgesetzte Schutz vor Vogelschlag mehrere Millionen Euro kosten“, so Wegworth. „Es immer ratsam, das Problem von Anfang an zu bedenken und einen Entwurf entsprechend zu planen. Dies ist nicht nur oft preisgünstiger und dauerhafter, sondern eröffnet auch vielfältigere Wege, Schutzmaßnahmen ästhetisch in die Architektur zu integrieren“, sagt sie.

Die Konferenz wird am Dienstag, den 27. September 2022 im Deutschen Architekturzentrum Berlin gemeinsam ausgerichtet vom Landesverband Berlin des Umweltverbands BUND sowie dem Unabhängigen Institut für Umweltfragen (UFU). Gefördert wird die Konferenz vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sowie dem Bundesamt für Naturschutz. Die Veranstaltung ist im Livestream per Internet verfügbar.

Das Programm der Konferenz ist zu finden unter: www.ufu.de/architektur-biologische-vielfalt/

BUND-Vogelschutzexpertin Claudia Wegworth: 0170-5407763

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