
03. Juli 2025 | Pressemitteilung
Das Tempelhofer Feld zählt für viele sehr anspruchsvolle und zum Teil auch überregional gefährdete Arten zu den wertvollsten Lebensräumen Berlins!1 Vogelarten wie die Feldlerche, der Steinschmätzer, der Neuntöter und die Grauammer benötigen große und nur extensiv genutzte Offenlandschaften mit vereinzelten Laubgebüschen, Hecken, Baumgruppen und Steinhäufungen.
Insgesamt 26 Brutvogelarten, 20 Wildbienen- und Wespenarten, 23 Heuschreckenarten, zahlreiche Tagfalter und Widderchen, Zauneidechsen sowie 329 wildwachsende Pflanzenarten konnten vor Ort nachgewiesen werden.2 Ein nicht unerheblicher Teil dieser Flora und Fauna taucht in den Roten Listen Berlins und den Roten Listen Deutschlands als gefährdete Arten auf.
Aufgrund der hohen Bebauungsdichte und der intensiven Nutzung der Grünflächen durch uns Menschen, sind extensiv genutzte Offenlandschaften wie auf dem Tempelhofer Feld sonst in Berlin kaum mehr zu finden. Aber auch im Umland führt die intensive Landwirtschaft und die Entstehung immer neuer Siedlungen, Gewerbegebiete und Straßen dazu, dass diese wertvollen Flächen verschwinden. Die Trockenrasen, Glatthaferwiesen sowie die mageren Flachland-Mähwiesen und trockenen kalkreichen Sandrasen auf dem Tempelhofer Feld fallen daher nicht ohne Grund unter den gesetzlichen Schutz (gesetzlich geschützte Biotope und europarechtlich geschützte FFH-Lebensraumtypen). Sie sind von überregionaler Bedeutung.
Neben seinem hohen Beitrag für den Erhalt der Artenvielfalt in Berlin sorgt das Tempelhofer Feld auch unmittelbar für unser Wohlbefinden. In heißen Sommernächten sorgt es für Abkühlung, trägt zu guter Luft in den umliegenden Quartieren bei, es entzieht der Atmosphäre klimaschädliches CO2 und ermöglicht uns in einer hektischen und dicht bebauten Umgebung Stressabbau, Naherholung, Sport und Bewegung. Die vielen niedrigschwelligen und unentgeltlichen Projekte auf dem Feld tragen zudem zu Austausch und gesellschaftlicher Teilhabe bei - unabhängig vom Einkommen.
Gerade offene Wiesenlandschaften kühlen sich nachts besonders stark ab, da sie die am Tag entstandenen Wärmemengen ungehindert und damit deutlich stärker als mit Bäumen bestandene Grünanlagen in die Atmosphäre abstrahlen können.3 So entsteht nachts Kaltluft, die in die benachbarten überwärmten Wohnquartiere strömen kann.
221 Hektar sind auf dem Tempelhofer Feld unversiegelt, wodurch etwa 280.000 Tonnen organischer Kohlenstoff im Boden gespeichert werden.4
Das Tempelhofer Feld ist von mehreren stark befahrenen Straßen umgeben wie der A100, dem Tempelhofer Damm und dem Columbiadamm. Die Gehölze und Wiesenpflanzen auf dem Tempelhofer Feld helfen dabei, die durch den Autoverkehr verunreinigte Luft zu säubern, indem sie ihr Schadstoffe entziehen und raue Oberflächen bieten, an denen sich Feinstaub anlagert. Dadurch, dass die Luft auf dem Feld frei zirkulieren kann, erhöht das Feld auch den Frischluftaustausch zwischen ihm und den benachbarten Wohnquartieren.5
Umliegende Gebiete haben zum Teil ein Defizit an Grünflächen. In Neukölln beträgt dieses Defizit 140 Hektar.6 Hier leben besonders viele Menschen, die sozial benachteiligt sind und oft nicht über die nötigen Ressourcen verfügen, weitere Wege und höhere Kosten für Naturerleben, Sport und Erholung auf sich zu nehmen. Zudem sind Menschen geringen Einkommens überdurchschnittlich häufig Lärm, Abgasen und Hitze ausgesetzt, weil ihnen die schlechteren Wohnlagen zuteilwerden. Das Tempelhofer Feld in seiner jetzigen Form hilft, diese Belastungen zu mildern. Es trägt damit zu mehr Umweltgerechtigkeit in Berlin bei.
Da das Feld so viele positve Implikationen auf die Natur und das Klima vor Ort hat, trägt es auch aktiv zur Gesundheitsförderung bei. Zudem können auf den Landebahnen und Taxiways, einer Teilfläche des inneren Wiesenmeers und dem gesamten Randbereich allerlei Sportarten ausgeübt werden, auch solche wie Kiten und Windscaten, die sonst nicht möglich sind. Hundeauslauf- und Grillwiesen, der Gemeinschaftsgarten und zahlreiche andere Projekte ermöglichen soziale Begegnungen und Mitbestimmung.
2010 wurde das Tempelhofer Feld für die Allgemeinheit geöffnet. Schnell entwickelte sich das Areal zu einem beliebten Ausflugsziel aus dem gesamten Stadtgebiet. Nachdem es mehrere Bestrebungen des damaligen Senats gab, das Feld zu bebauen, hat die Bürgerinitiative 100% Tempelhofer Feld 2014 den Volksentscheid zum Erhalt des Feldes initiiert. Alle wahlberechtigen Berliner*innen konnten damals über den von der Bürgerinitiative verfassten Gesetzestext abstimmen. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: In jedem einzelnen Berliner Bezirk stimmten mehr Menschen für das Gesetz als dagegen.
In den Folgejahren wurde in einem kooperativen bürgerschaftlichen Prozess unter intensiver Beteiligung des BUND Berlin in oftmals langen, aber fruchtbaren Diskussionen ein Entwicklungs- und Pflegeplan für das Tempelhofer Feld aufgestellt, das mit dem Gesetz bis heute seine Gültigkeit hat.
Leider kann das Tempelhofer Feld Gesetz jedoch mit einer einfachen Mehrheit im Berliner Abgeordnetenhaus gekippt werden.
Diese haben derzeit CDU und SPD inne. Um eine Bebauung gegen den mehrheitlichen Willen der Wähler*innen von 2014 zu rechtfertigen, haben die Koalitionspartner im Mai 2024 einen Dialogprozess mit einem hierin eingebetteten freiraum- und stadtplanerischen Ideenwettbewerb ins Leben gerufen. Hier sollen "die Möglichkeiten einer behutsamen Randbebauung in begrenzten Teilen der Fläche" ausgelotet werden.
275 Berliner*innen wurden per Zufall über das Einwohnermelderegister ausgewählt und zu den ersten beiden Dialogwerkstätten Anfang und Ende September 2024 eingeladen. Auch dieses Mal sprachen sich die Teilnehmer*innen eindeutig gegen eine Bebauung des Tempelhofer Feldes aus (dokumentiert in der vom Senat veröffentlichten Auslobung des Bebauungswettbewerbs für das Tempelhofer Feld). Und dennoch arbeiteten Architekten, Freiraum- und Stadtplanungsbüros im Rahmen des Ideenwettbewerbs weiter an konkreten Vorschlägen, die u. a. eine Randbebauung vorsehen.
Sechs Entwürfe wurden nun von einer Jury als Siegergruppe gekürt. Diese Vorschläge werden in einer dritten Dialogwerkstatt am 12. und 13. Juli weiter diskutiert und im September 2025 final vorgestellt.
Wie und wann es mit den Entwürfen - von denen zwei eine Randbebauung vorsehen - weitergehen soll, ist derzeit noch unklar.
Selbst bei einer behutsamen Bebauung müssten die meisten Sport- und Freizeitaktivitäten in den inneren Wiesenbereich ausweichen. Das würde einen Verlust dieser Lebensräume und seiner Tier- und Pflanzenarten bedeuten, der sich aufgrund seiner Größe und Komplexität anderenorts in Berlin nicht ausgleichen lässt.1
Zudem kann die Kaltluft, die nachts über dem Tempelhofer Feld entsteht, nur in die benachbarten Quartiere hineinwirken, wenn es keine baulichen Barrieren gibt. Das belegt der fehlende Frischluftaustausch in Richtung Nordwesten, der durch das denkmalgeschützte ehemalige Flughafengebäude gehemmt wird. Durch eine Randbebauung weiterer Teile des Feldes ist daher davon auszugehen, dass der Kaltluftaustausch mit den umliegenden Quartieren erheblich beeinträchtigt wird. Darüber hinaus würden die Gebäude Wärme erzeugen, die weit in den inneren Bereich hineinragt und die Thermik und nächtliche Abkühlung beeinträchtigt.
Auch ginge mit einer Randbebauung die Einzigartigkeit des Tempelhofer Feldes - mit seinen einmaligen Sichtweiten als eines der Wahrzeichen Berlins - ein großes Stück weit verloren.
Dem gegenüber steht, dass der Senat auf dem Feld bezahlbare Mietwohnungen, soziale Einrichtungen und Räume für kleine Unternehmen ausschließlich durch Gemeinwohlorientierte Genossenschaften und Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften errichten lassen will. Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, müsste der Senat jedoch tief in die Tasche greifen. Wie bereits der Tagesspiegel 2023 schätzte, würden sich die Baukosten für 5.000 Wohnungen a 70 Quadratmeter auf fast zwei Milliarden Euro belaufen - etwas so viel, wie ursprünglich für den Bau des BER berechnet wurden. Die Mieten würden entsprechend hoch ausfallen, mit mindestens 15 bis 19 Euro pro Quadratmeter. Sozialwohnungen müssten in einem erheblichen Maße bezuschusst werden.7
Diese Kosten würden auch bei der Bebauung anderer Flächen entstehen. Klar ist jedoch, dass es in Berlin genügend Instrumente und Potentiale gibt, um ausreichend Wohnraum zu schaffen, ohne dabei so viel wertvolles Grün zu vernichten. Dazu zählt die Bebauung bereits versiegelter Flächen, Nutzung von Leerstand, Umbau nicht benötigter Büro- und Gewerberäumen, Aufstockungen und Dachgeschossausbau sowie eine konsequente Verfolgung von Zweckentfremdung von Wohnraum.
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(1) Berliner Sachverständigenbeirats für Naturschutz und Landschaftspflege. Beiratsbeschluss - NL-02-07-24. Vorhaben der potentiellen Randbebauung auf dem Tempelhofer Feld und dem vorbereitenden Dialogprozess, S. 4
(2) WUP GmbH Landschaftsarchitektur. Stadtplanung und MediationBerlin Tempelhofer Feld, Naturschutzfachliches Monitoring, Ergebnisse 2019
(3) Klimamodell Berlin: Nächtliche Abkühlungsrate 2015 (Umweltatlas)
(4) Richter, S., Haase, D., Thestorf, K. & Makki, M. (2020): Carbon Pools of Berlin, Germany: Organic Carbon in
Soils and Aboveground in Trees. Urban Forestry & Urban Greening, 54, 126777
(5) Bruse, M. (2003): Stadtgrün und Stadtklima: Wie sich Grünflächen auf das Stadtklima auswirken, S. 68 ff
(6) Berliner Sachverständigenbeirats für Naturschutz und Landschaftspflege. Beiratsbeschluss - NL-02-07-24. Vorhaben der potentiellen Randbebauung auf dem Tempelhofer Feld und dem vorbereitenden Dialogprozess, S. 5
(7) Podcast „Berliner & Pfannkuchen“: Wie sinnvoll ist es, das Tempelhofer Feld zu bebauen? Folge vom 31.03.2023, abrufbar unter: https://www.tagesspiegel.de/podcasts/checkpoint-podcast/podcast-berliner-pfannkuchen-wie-sinnvoll-ist-es-das-tempelhofer-feld-zu-bebauen-9594287.html
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