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Nightjet statt Easyjet

Mindestens ein Drittel der am BER startenden Flüge ließe sich sofort auf die Bahn verlegen, ohne dass sich die Reisezeiten dramatisch verlängern. Und mit einer Renaissance des europäischen Nachtzugsystems ginge noch wesentlich mehr.

Dauer der Zugverbindung zu Städten, die vom BER aus angeflogen werden. Grün: bis zu fünf Stunden. Orange: über fünf Stunden. Schwarz: Nachtzug, teilweise mit maximal einem Zubringerzug (Stand: Oktober 2020)

Vier bis fünf Stunden gilt bei den meisten Menschen, die nicht gerade Bahnfans sind, als noch erträgliche Reisezeit im Zug. Das ist gleichzeitig auch die Dauer, die für einen Kurzstreckenflug realistischerweise kalkuliert werden muss, wenn nicht nur die reine Flugzeit, sondern auch das Zum-Flughafen-Fahren, Einchecken, Warten, Einsteigen, Aussteigen, wieder Warten (aufs Gepäck) und schließlich die Weiterfahrt zum eigentlichen Ziel berücksichtigt werden. Diese Flüge könnten also ohne großen Zeitverlust auf die Schiene verlagert werden. In seinem Luftverkehrskonzept für Berlin-Brandenburg hat der BUND ausgerechnet, dass jährlich rund 50.000 Kurzstreckenflüge von und nach Berlin-Brandenburg auf die Schiene verlagert werden könnten und dies mit Reisezeiten von Innenstadt zu Innenstadt von bis zu vier Stunden. 50.000 Kurzstreckenflüge weniger würden den Treibhausgasausstoß um 630.000 Tonnen CO2-Äquivalente senken.

Ein Blick in den durch die Corona-Krise geschrumpften Flugplan zeigte im Herbst 2020, dass Kurzstrecken einen erheblichen Anteil am Berlin-Brandenburger Fluggeschehen haben: Kurz vor der BER-Eröffnung starteten von den beiden Altflughäfen TXL und SFX zusammen 120 Flüge am Tag. 37 von ihnen hoben zu einem innerdeutschen Ziel ab. Von den sechs angeflogenen Inlandszielen waren vier in einer Reisezeit von vier bis fünf Stunden mit der Bahn zu erreichen, nur nach Stuttgart und Saarbrücken braucht die Bahn mit ihrer schnellsten Verbindung sechseinviertel beziehungsweise sechseinhalb Stunden.

Mittlerweile herrscht am BER wieder stärkerer Betrieb. Was aber unverändert ist: Viele Flugzeuge steuern europäische Ziele an, die nur sechs bis neun bis neun Zugstunden vom Berliner Hauptbahnhof entfernt sind, etwa Warschau, Amsterdam, Brüssel, Paris, Zürich und Wien. Sogar nach London ist man per Bahn nur knapp zehn Stunden unterwegs, inklusive anderthalb Stunden Umsteigezeit in Köln. Wer nicht den ganzen Tag im Zug verbringen will, sollte über eine Nachtzugfahrt nachdenken.

Die DB hat ihre Nachtzuglinien zwar 2016 aufgegeben, allerdings übernahm die ÖBB einen Teil des Geschäfts. Seither zeigt das österreichische Staatsunternehmen, dass sich mit Nachtzügen durchaus eine „schwarze Null“ erwirtschaften lässt: Die 26 Nightjet-Linien tragen rund 16 Prozent zum Umsatz der ÖBB bei. Weil die Nachfrage wächst, erweitern die ÖBB ihr Nachtnetz und haben neue Schlafwagen bestellt, die seit 2022 durch Europa rollen.

Dank der Nachtzugoffensive der ÖBB sind von Berlin aus unter anderem wieder wieder Basel, Zürich, Warschau, Wien und Budapest direkt zu erreichen. Für Ende 2023 ist eine tägliche Nachtverbindung zwischen Berlin und Paris geplant. Und dank der schnellen ICE-Verbindung nach München kommen auch die dort startenden ÖBB-Nachtzüge nach Italien in Betracht: Abfahrt in Berlin am späten Nachmittag, Ankunft in Venedig, Mailand oder Rom zur besten Frühstückszeit. In den Sommermonaten gibt es von München aus auch Nachtzugverbindungen nach Rijeka und Split an der Adriaküste.

Auch private Firmen mischen im Nachtzuggeschäft mit: Seit 2021 fahren in den Sommermonaten wieder Nachtzüge von Berlin nach Kopenhagen, Malmö und Stockholm, betrieben von dem schwedischen Unternehmen Snelltaget. Eine niederländlisch-belgische Gesellschaft plant eine Verbindung von Brüssel und Amsterdam über Berlin nach Prag (und in Gegenrichtung).

Übersicht über die europäischen Nachtzugverbindungen: www.night-trains.com

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