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Eine kleine Geschichte der Bürgersteige und Fußgängerübergänge

Große Steinquader liegen in einer Reihe quer zur Straße, im Hintergrund eine antike Stadtreste Kulturgut Fußgängerübergang: Trittsteine in Pompeji

Schon im antiken Rom hatten Fußgänger unter rücksichtslosen Wagenlenkern zu leiden. Im Jahr 45 v. Chr. griff Julius Cäsar deshalb hart durch: Mit wenigen Ausnahmen durften Fuhrwerke zwischen Sonnenaufgang und Nachmittag nicht in der Stadt verkehren. Der Wirtschaftsverkehr der dicht besiedelten Millionenstadt fand daher in den Nachtstunden statt. Das Rumpeln der mit Eisen beschlagenen Wagenräder auf den Pflastersteinen und die Flüche der Kutscher raubten zwar vielen Einwohnern den Schlaf, dafür schonte das Fahrverbot tagsüber die Nerven. Die Städte im römischen Imperium besaßen gepflasterte Bürgersteige, allerdings dienten diese nur am Rande dem Fußverkehr. Errichtet auf Kosten der Hausbesitzer boten sie Platz für alle möglichen kommerziellen Nutzungen: Barbiere rasierten im Freien, Händler boten Waren feil, auf kleinen Holzöfen bereiteten Imbissverkäufer Essen zum Mitnehmen zu.

Zum Gehweg wurde der teilweise überdachte Bürgersteig nur bei schlechtem Wetter und wenn es galt, Unrat auf der Straße auszuweichen. Um das Schuhwerk nicht zu beschmutzen, überquerten feinere Herrschaften die Straße auf großen Trittsteinen, die vor allem an Kreuzungen in das Pflaster eingelassen waren. Diese antiken Fußgängerübergänge, die heute noch in Pompeji zu besichtigen sind, dürften auch der Verkehrsberuhigung gedient haben.

Nach dem Zusammenbruch Roms geriet spezielle Infrastruktur für Fußgänger in Vergessenheit. Erst im 17. bzw. 18. Jahrhundert legte man in London und Paris wieder Gehsteige an, die die Passanten in erster Linie vor Pferdemist auf der Straße schützten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts veränderte sich die Stimmung, als mit Automobil und Fahrrad ungewohnt schnelle Verkehrsmittel die Straßen eroberten. Eine Berliner Polizeiverordnung von 1892 verbot ausdrücklich, Hunde auf Radfahrer zu hetzen und Gegenstände in die Speichen zu werfen. Auf der Äußeren Mariahilfer Straße in Wien ließ die Stadtregierung Stufen in die Bürgersteige einbauen, um das Radfahren dort zu verhindern. Auch gegen die Automobilisten, die für ein deutliches Ansteigen der Verkehrstoten verantwortlich waren, richtete sich der Zorn der Fußgänger. 

Zebrastreifen scheiterten am eigenen Erfolg

Ein paar Jahre noch durfte die Straße „von jedermann zum Gehen, Reiten, Radfahren, Fahren und Viehtreiben benutzt werden“, wie es die preußische Wegeordnung von 1905 festhielt. In Deutschland beendete die Reichs-Straßenverkehrsordnung von 1934 die Fahrbahnnutzung für alle: „Ist eine Straße für einzelne Arten des Verkehrs bestimmt (Fußweg, Fahrradweg, Reitweg), so ist dieser Verkehr auf den ihm zugewiesenen Straßenteil beschränkt“. Auf diese Bestimmung stützte sich bis vor Kurzem auch die Benutzungspflicht für Radwege.

Da die Straße nun nicht mehr zum Gehen benutzt werden durfte, stellte sich die Frage ihrer legalen Querung. Der in Großbritannien entwickelte Zebrastreifen fand 1949 Eingang in das UN-Protokoll über Straßenverkehrszeichen, drei Jahre später wurde vor dem Bahnhof Schöneweide der erste Zebrastreifen der DDR eingeweiht. Nachdem Fußgänger 1964 an Zebrastreifen Vorrang erhalten hatten, verschwanden im Westen immer mehr Übergänge, um den Autoverkehr nicht aufzuhalten. So sank in Westberlin die Zahl der Zebrastreifen von mehr als 700 auf 75 im Jahr 1990. Auch in seinem Mutterland hat der Zebrastreifen nicht nur Freunde. Eine der nur drei Verkehrsregeln, die sich mit Fußgängern beschäftigen, verbietet diesen, auf Fußgängerübergängen zu „bummeln“ – eine Formulierung, die dem wohl berühmtesten Zebrastreifen der Welt wie auf den Leib geschnitten ist. Täglich pilgern Beatles-Fans zur Londoner Abbey Road, um dort auf den Spuren der Band die Straße zu überqueren – sehr zum Ärger vieler örtlicher Autofahrer, die sich vor dem Übergang stauen. Auch der Gemeinderat von Westminster befasste sich schon mit dem Phänomen. Entfernt werden darf der Zebrastreifen aber nicht mehr, da er seit 2014 auf der Liste des Nationalen Kulturerbes steht.

Der Beitrag erschien in der BUNDzeit 2016-1. 

Kontakt

Martin Schlegel

Referent für Verkehrspolitik
E-Mail schreiben Tel.: (030) 787900-17

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