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Die Freiheitsmaschine

Vom Knochenschüttler bis zum Ampelgriff: Die zweihundertjährige Geschichte des Fahrrads ist mit einer Reihe von Innovationen und gesellschaftlichen Fortschritten verbunden.

1817 Carl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais von Sauerborn führt in Mannheim das erste Zweirad vor: ein komplett aus Holz gefertigtes Laufrad. 1813 hatte Drais bereits eine vierrädrige Laufmaschine konstruiert, die zwar den zu Besuch in Baden weilenden russischen Zaren Alexander I. begeisterte, nicht aber die badischen Beamten, die dem Gefährt wegen angeblicher Nutzlosigkeit ein Patent verweigerten.

1819 Die Draisine oder Veloziped genannte Laufmaschine kann sich trotz großer Marketingbemühungen ihres Erfinders in Deutschland nicht recht durchsetzen, woran auch das im Zuge der Restauration verhängte Turnverbot in Preußen und anderen Staaten des Deutschen Bunds Anteil hatte. Dafür erfreut sie sich in England als „hobby-horse“ oder „dandy horse“ großer Beliebtheit. In London öffnet die erste „Draisinen-Reitschule“.

1862 Der Pariser Wagenbauer Ernest Michaux versieht das Vorderrad einer Draisine mit einer Tretkurbel. Die nun deutlich schnelleren Fahrräder bekommen den Spitznamen „Knochenschüttler“. In den Folgejahren werden die Vorderräder immer größer, sodass die Radfahrenden nicht mehr mit den Füßen den Boden erreichen.

1878 Das englische Modell „Kangaroo“ treibt das Vorderrad mit Pedalen und Doppelkette an.

1884 Unter dem Namen „Rover safety bicyle“ stellt John Kemp Starley das erste Fahrrad mit Hinterradantrieb vor, das mit nur geringfügig größerem Vorderrad und Pedalen zwischen beiden Rädern die Urform des heutigen Fahrrads bildet.

1887 In Dublin versieht der Tierarzt John Boyd Dunlop das Dreirad seines Sohns mit einem luftgefüllten Reifen. Zuvor hatten die Fahrräder und Kutschen Hartgummireifen.

1894/95 Als erste Frau umrundet Annie Londonderry die Welt mit dem Rad. Ein Jahr später sagt die amerikanische Frauenrechtlerin Susan B. Anthony über die „freedom machine“, nichts auf der Welt habe für die Emanzipation der Frau mehr geleistet als das Fahrrad.

1905 Fichtel & Sachs bringt die Zwei-Gang-Nabenschaltung auf den Markt.

1965 In Amsterdam stehen plötzlich überall weiße Fahrräder unabgeschlossen herum. Mit kostenlos zu nutzenden „Witte Fiets“ will die anarchistische Gruppe „Provo“ das kapitalistische Prinzip des Privatbesitzes in Frage stellen und gegen die Unterwerfung unter das Automobil protestieren.

1974 Der Lexigraf Augusto Morinoni präsentiert eine Fahrradzeichnung, die er in Leonardo da Vincis „Codex Atlanticus“ (1478–1519) entdeckt hat. Ende der Neunziger stellt sich die Skizze als Fälschung heraus und Morinoni gilt als der Hauptverdächtige.

1993 Im norwegischen Trondheim geht der weltweit erste Fahrradlift in Betrieb. Um die 130 Meter einer steilen Nebenstraße angeschoben zu werden, stellt man den rechten Fuß auf einen kleinen Schlitten, der sich mit einer Geschwindigkeit von maximal zwei Meter pro Sekunde bewegt. Das Prinzip funktioniert auch für Tretroller und Kinderwagen mit stabiler Heckstange.

1996 Mit Shimano bringt der erste namhafte international tätige Hersteller einen Nabendynamo auf den Markt. Dabei datiert das erste Patent einer vor Witterung geschützten Lichtmaschine in der Nabe schon von 1913.

2002 Im westfälischen Marl lässt die Stadtverwaltung einen Haltegriff an einer Ampel anbringen. Er ist auf einer Höhe von 1,30 Meter angebracht, sodass man sich beim Warten auf Grün festhalten kann, ohne mit den Beinen den Boden zu berühren. Der Ampelgriff hängt mittlerweile auch in einem guten Dutzend anderer Städte.

2011 Wegen unverhältnismäßig hohem Verwaltungsaufwand schafft die Schweiz die Velovignette ab. Mit dem Fahrradkennzeichen mussten die Radfahrenden seit Ende des 19. Jahrhunderts nachweisen, dass sie über eine Haftpflichtversicherung verfügen.

2016 Das Liegerad „Eta“ stellt mit 144 Stundenkilometern in der Wüste von Nevada einen neuen Geschwindigkeitsrekord für muskelbetriebene Fahrzeuge auf.

Dieser Artikel erschien in der BUNDzeit 2017-2.

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