Nur Natur kann Natur ersetzen

Eigentlich sollen grüne Flächen überhaupt nicht für Bauvorhaben verschwinden. Wenn das aber trotzdem passiert, weil die genehmigenden Behörden den Eingriff für unvermeidbar halten, schreibt das Gesetz einen Ausgleich oder Ersatz vor. Dabei kann man allerdings viel falsch machen.

Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen müssen immer funktionsbezogen sein, sich also auf das jeweilige Schutzgut beziehen: Wenn Bäume gefällt werden, müssen Bäume neu gepflanzt werden; wenn Wiesen asphaltiert werden, sollen versiegelte Flächen entsiegelt und zu Wiesen aufgewertet werden. Das klingt selbstverständlich, ist für Berlin aber relativ neu. Jahrelang hatten die Bezirksämter und Senatsverwaltung die von Investoren zu finanzierenden Ausgleichsmaßnahmen für alle möglichen Verschönerungen der Stadt genutzt. Diese Praxis endete 2015 mit einem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts, das eines klarstellte: Nicht vermeidbare Eingriffe in die Natur müssen funktionsbezogen ausgeglichen oder ersetzt werden. Geklagt hatte der BUND gegen das Vorhaben des Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg, mehr als 90 Bäume des sogenannten Crelleurwalds im Wannseebahngraben (S1) zu fällen, um einen Fuß- und Radweg auf den derzeit ungenutzten Gleisen der Stammbahn zu bauen. Das Bezirksamt hatte argumentiert, der neue Weg stelle eine „Verbesserung von Landschaftsbild und Erholung“ dar, sodass kein weiterer Ausgleich für die zerstörte Natur nötig sei (mehr zu diesem Fall im BUNDblog Umweltzoneberlin.de).

Außerdem wichtig: Der Ausgleich hat eingriffsnah zu erfolgen. Berliner Naturschutzmittel sollen der Natur und den Menschen in Berlin zugutekommen.

Schlechtes Beispiel Gleisdreieck

Noch mehr Versiegelung als Ausgleich: Park am Gleisdreieck

Wo zu Mauerzeiten die Natur die nicht mehr genutzten Gleise der Potsdamer und Anhalter Bahn erobert hatte, entstand 2011 der 26 Hektar große Park am Gleisdreieck. Finanziert wurde diese Anlage mit dem Geld, das die Bauherren des Potsdamer Platzes für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zahlen mussten. Statt aber die Wäldchen und Wiesen dieser Bahnwildnis für die Öffentlichkeit zu erhalten und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde noch mehr Fläche versiegelt. Nun zeigt der rege Publikumsverkehr im Park am Gleisdreieck, dass es zwischen den dichtbesiedelten Schöneberger und Kreuzberger Kiezen durchaus Nachfrage für Erholungs- und Freizeitflächen gibt. Mit dem eigentlichen Zweck der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, nämlich den Verlust von innerstädtischer Natur zu kompensieren, hat der Park aber überhaupt nichts zu tun. 

Gute Beispiele Nordbahnhof und Schanzenwald

Naturschutzgebiet Murellenschlucht-Schanzenwald in Ruhleben

Das Areal des in den 1950er-Jahren stillgelegten Nordbahnhofs (ehemals Stettiner Bahnhof) gehörte bis 1989 zum Todesstreifen an der Berliner Mauer. Nach dem Mauerfall entwickelte sich eine Spontanvegetation, die Teil des 2009 fertiggestellten Parks am Nordbahnhof wurden. Anders als beim Gleisdreieck wurde hier die Stadtnatur mühelos in eine neue Freizeitanlage integriert. Wie Ausgleichsmaßnahmen eine bestehende Landschaft ökologisch aufwerten können, zeigt der Ruhlebener Schanzenwald nahe dem Olympiastadion: Als Ausgleich für Naturzerstörung beim Bau der ICE-Strecke Berlin–Hannover wurde die Schießstände des ehemals militärisch genutzten Geländes zurückgebaut. 

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