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Berliner Klimaschutzoffensive JETZT!

Die Landesregierung will möglichst vor 2030 aus der Kohle aussteigen. Das ist gut. Nun gilt es zu verhindern, dass Erdgas und Müllverbrennung die neue Kohle werden. Die größte Herausforderung ist die sozialverträgliche energetische Gebäudesanierung, für die der Senat dringend eine Gesamtstrategie erarbeiten muss – immer unter Maxime „umbauen, nicht abreißen und Berlins Potenzial an Erneuerbaren erschließen“.

Klimaschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe

Berlin muss seinen Beitrag leisten und bereits 2035 klimaneutral werden, um einen für alle katastrophalen Ausgang der globalen Klimakrise zu verhindern. Das bedeutet, dass das noch verfügbare Emissionsbudget nicht überschritten werden darf, um die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Welche Maßnahmen hierfür erforderlich sind und welche Restriktionen bei ihrer Umsetzung stehen, ist in der jüngst von der Senatsverwaltung für Verkehr, Umwelt und Klima veröffentlichten Machbarkeitsstudie „Berlin Paris-konform machen" skizziert.

Erreicht werden können die Klimaziele nur dann, wenn es gelingt, Klimaschutz zu einer Gemeinschaftsaufgabe zu machen. Daher ist es nicht nur notwendig, eine effektive Klimapolitik partizipativ zu entwickeln. Vielmehr muss es mit einer Berliner Klimaschutzoffensive auch gelingen, in den einzelnen Handlungsfeldern Allianzen in der Stadtgesellschaft für die Umsetzung innovativer und wirksamer Maßnahmen für die Energie- und Wärmewende, die Mobilitätswende, nachhaltige Konsummuster und Wirtschaftsweisen sowie eine Wende im Ressourcenverbrauch zu bilden. Insofern ist eine konsequente Klimaschutzpolitik auch die zentrale Chance für ein lebenswertes, solidarisches und attraktives Berlin.

Dafür benötigt die Stadt eine zentrale „Leitstelle Klima“ (vorzugsweise in der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz), die die Klimaschutzmaßnahmen berlinweit koordiniert, umsetzt, monitort und weiterentwickelt. In den einzelnen Bezirken und allen Senatsverwaltungen sollen daneben „Klimateams“ gegründet werden, die für die Entwicklung und Durchführung der Klimaschutzmaßnahmen in eigenen Handlungsfeldern zuständig sind.

 

Wärmebedarf senken

Eine Gesamtstrategie zur Steigerung der Energieeffizienz in der Mieterhauptstadt Berlin muss über die energetische Gebäudesanierung sowie über passgenau zugeschnittene Beratungs- und Förderungsmaßnahmen, serielle Sanierungungen und über eine denkmalgerechte Umsetzung von Effizienzmaßnahmen im Gebäudesektor erfolgen.

Immanente Zielkonflikte zwischen energetischen, sozialen, naturschutzfachlichen und kulturellen Aspekten müssen nun endlich strategisch und rasch gelöst werden. Investitionen in Klimaschutz müssen in einem Berliner Modell genauso attraktiv gestaltet werden, wie die Lastenverteilung aller Emittenten und Klimaschäden verursachenden Gebäudenutzer*innen gerecht ausgestaltet werden muss.

Die Koalition wird sich an der Dynamik messen lassen müssen, mit der sie die gesamte Vielfalt der Gebäudenutzer*innen zielgruppenorientiert anspricht, motiviert und sie bei der Umsetzung von ökologisch vertretbarem Neubau und Sanierung durch Fachbehörden und Handwerk unterstützt. Die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand wird erkannt und anerkannt – wenn sie durch Innovation, Praxisnähe, Beschäftigung und Effizienz beispielgebend ins Quartier hineinwirken und auch die privaten Immobilienbesitzer und -nutzer*innen zu tiefen Sanierungen nach Stand der Technik bewegen kann.

Die Koalition muss zudem die Klimaziele im Gebäudesektor auch durch Förderungen erreichen, die noch als Innovationstechniken angesehen werden. Dazu zählen gezielte Sonderförderungen thermischer Grauwassernutzung, serielle Sanierung, grün-blaue Mischnutzungsdächer, Resilienz steigernder (Um)bau und naturschutzkonforme Geothermie und Windkraft nutzende Gebäude im Stadtbereich. Diese müssen bereits in 2022 kommen. Die praxisnahe Sektorenkopplung im gesamten Land Berlin muss in den Jahren dieser Koalition Wähler*innen und Mieter*innen erreichen. Alle effizienzsteigernden Maßnahmen am, auf dem und im Gebäude, die gesamte zur Verfügung stehende technische Gebäudeausrüstung, nachwachsender Rohstoffeinsatz und konsequentes lokales Baustoffrecycling sowie "urban mining" (Rohstoffe, die schon genutzt wurden, wiedergewinnen) sind baupolitische Mindestanforderungen an eine Koalition, die Berlin klimaneutral umbauen will.

Stadtwerke in den Stadtumbau einbeziehen

Dazu gehört auch, dass das solare Stromgestehungspotential der Berliner Dächer bis 2030 vollständig gehoben wird, um den Stromnetzausbau und die Mieterstrommodelle, allesamt Geschäftsfelder der Berliner Stadtwerke, ökologisch und sozial voranzutreiben. In enger Absprache mit den Fachorganisationen und Innungen (von z. B. der Innung für Sanitär, Heizung, Klempner, Klima; Schornsteinfegerinnung und Handwerkskammer bis zum Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V.) sollte die Koalition die solare Baupflicht umsetzen, ausdehnen und schnellstmöglich eine Berliner Standardlösung und Berliner Serie für die häufigsten Dachtypen und Gebäudeklassen entwickeln und auch auf diesem Wege jährlich 15% der Berliner Dachlandschaft und geeigneter Fassaden für die Stromwende erschließen.

 

Erneuerbare Wärmeproduktion hochfahren

© Jan-Peter Schulz

Das große Potential der Metropolregion Berlin/Brandenburg zur Erzeugung von Wärme und Elektrizität, Kälte und erneuerbaren Gasen ist vielfach durch Studien und detailreicher Potentialanalysen verschiedenster Stakeholder aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft skizziert worden. Die Koalition muss das große Berliner Fernwärmenetz fit für die Zukunft machen, den Aufbau und die Ausweitung von Niedertemperaturnetzen, die vollständig durch erneuerbar erzeugte Wärme betrieben werden können, vorantreiben. Neben der klimagerechten Dezentralisierung der Wärmeproduktion ist die Koalition aufgefordert, "lock-in Effekte", die Bindung an Gaskraftwerke und die Wechselkosten in die klimaschädliche Erdgasinfrastruktur zu vermeiden. Die fossile Erdgasnutzung zu beenden, der Einstieg in eine 100%ige erneuerbare Wärmeinfrastruktur und auch die gemeinwohlorientierte Reduktion von (Ewigkeits-)schäden aus der fossilen Energieinfrastruktur (Sulfat, Quecksilber, radioaktive Substanzen etc.) nach dem Verursacherprinzip sollten selbstverständlich zur Leitlinie rot-grün-roter Energiepolitik gehören.

Klimaneutrale Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen

Zur systemrelevanten Infrastruktur gehören Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser, Reha-Kliniken und stationäre Pflegeeinrichtungen und sie verbrauchen besonders viel Energie und Ressourcen. Gleichzeitig spüren die Beschäftigte und Patient*innen die Auswirkungen der Klimakrise z.B. durch die Belastung bei Hitzewellen besonders deutlich. Aus diesen Gründen ist es nötig, die Landesinvestitionsmittel für die Berliner Einrichtungen mit Vorgaben zum Klima- und Ressourcenschutz zu verknüpfen und die Häuser zu verpflichten, ihren CO2-Ausstoß kontinuierlich zu verringern. Dies ergänzt den in der Koalitionsvereinbarung festgeschriebene „Green hospital“-Ansatz. Die angedachte Erstellung von Hitzeaktionsplänen muss in enger Abstimmung mit den Gesundheitseinrichtungen umgesetzt werden.

Für eine Ressourcenschonung muss die Zero-Waste-Strategie des Landes ausgeweitet und die Gesundheitseinrichtungen bei der Umsetzung des kommunalen Abfallwirtschaftskonzeptes einbezogen werden. Abfallbeauftragte der Einrichtungen sind als Ansprechpersonen einzubeziehen und eine Koordinierung sowie Beratung der Einrichtungen zu Mehrwegprodukten muss aufgebaut werden.

Die nachhaltige Speisenversorgung in den Einrichtungen muss durch zusätzliche Pauschalen unterstützt und das im Koalitionsvertrag angedachte Regionalitätskonzept angewendet werden. Das Projekt Kantine Zukunft Berlin sollte verstärkt Gesundheitseinrichtungen berücksichtigen können.

Da Narkosegase stark wirksame Treibhausgase sind, die noch immer im OP, auf Intensivstationen oder in Rettungsstellen zum Einsatz kommen, muss vor allem das Anästhesiegas Desfluran verbannt bzw. ersetzt werden. Für die Schulung des Personals, den entsprechenden Umbau z.B. der OP-Bereiche und den Einbau von Filterungsanlagen (wahlweise stationäre oder mobile) sollte das Land Berlin Fördermittel zur Verfügung stellen.

Bilder

Intro: Philipp Blank, CC BY-SA 3.0 

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