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Sehr durchwachsen: BUND Berlin zieht Bilanz zu Umwelt- und Klimapolitik 2023

26. Dezember 2023 | Abfall, Bauen, Flächenschutz, Immer.Grün, Infrastruktur, Klimaschutz, Mobilitätsbildung, Nachhaltigkeit, ÖPNV, Stadtentwicklung, Stadtnatur, Verkehr, Verkehrssicherheit, Zero Waste

Stillstand, Rückschritte und kleine Erfolge unter schwarz-roter Landesregierung

Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister Foto: Stefanie Loos/re:publica (CC BY-SA 2.0 Deed)

Berlin, 26.12.2023: Tilmann Heuser, Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Berlin), erklärt: "Ein Ruck müsste durch Berlin gehen, um im Kampf gegen Klimakrise und massenhaftes Artensterben deutlich mehr Tempo aufzunehmen. Doch was bisher schon zäh, aber wenigstens in die richtige Richtung lief, bleibt zäh. Bei anderen Themen wird sogar energisch in die ganz falsche Richtung gesteuert. Noch bleibt die Hoffnung, dass die notorische Berliner Umsetzungs-Unfähigkeit in vielen Bereichen Schlimmeres verhütet. Andererseits zeichnet sich weiterhin nicht ab, dass dieses Grundhemmnis von Politik und Verwaltung der Hauptstadt bald wenigstens gemindert wird.

Eine novellierte Bauordnung ohne ausreichende Berücksichtigung von Klima-, Natur- und Artenschutz, ein teures Verfahren für die Bebauung des Tempelhofer Feldes sowie massive Baupläne für weitere Freiflächen, das Ausbremsen des ökologischen Umbaus der Verkehrs-Infrastruktur sind schwere Hypotheken für die ökologische Zukunft Berlins, genauso wie die weiter vorangetriebenen Pläne für eine zweite Müllverbrennungsanlage.

Die Rekommunalisierung des Fernwärmenetzes und das geplante Klima-Sondervermögen können wiederum durchaus große Schritte in die richtige Richtung sein. Beide dieser milliardenteuren Maßnahmen sind aber mit vielen Wenns versehen. Wenn der Senat ausreichend Mittel findet und ein stimmiges Konzept für die Dekarbonisierung der Fernwärme erarbeitet. Wenn bei der Wärmeversorgung auch die große Leerstelle der sozial und ökologisch ausgewogenen energetischen Gebäudesanierung gefüllt wird. Wenn sich überhaupt ein verfassungsrechtlich gangbarer Weg für die Klimamilliarden findet. Über alldem schwebt auch der dunkle Schatten der bisher mangelnden Beteiligung von Fachwelt sowie Bürgerinnen und Bürgern.

Und dann gibt es noch Lichtblicke. Nach mehreren Jahren Arbeit und der Veröffentlichung von drei Kleingewässerreporten durch den BUND Berlin, die den dramatischen Zustand der blauen Perlen der Hauptstadt zeigen, stehen im nächsten Doppelhaushalt 2024/2025 auf Senatsebene 8,5 Millionen Euro für deren Pflege zur Verfügung. Mindestens zwei Bezirke haben selbst auch Mittel dafür vorgesehen.

Endlich sollen im neuen Doppelhaushalt zusammen für die kommenden beiden Jahre 2,5 Millionen Euro für einen Reparaturbonus zur Verfügung stehen. Diese Förderung von Reparieren statt Wegschmeißen ist ein wichtiger Beitrag für den Ressourcenschutz.

Und immerhin auf der Ebene der willigen Bezirke werden Konzepte für mehr Ökologie, Verkehrssicherheit und Lebensqualität durch Zurückdrängen des motorisierten Individualverkehrs weiter umgesetzt."

Erläuterungen und Verweise aus den Fachbereichen

Naturschutz:

Laut beschlossenem Doppelhaushalt stehen auf Landesebene vier Millionen Euro im Jahr 2024 und 4,5 Millionen Euro im Jahr 2025 für den Schutz von Kleingewässern zur Verfügung. Diese müssen jetzt sinnvoll ausgegeben werden.

Der Flächenschutz wurde für das Bauen praktisch aufgegeben, die Charta für das Berliner Stadtgrün endgültig begraben und mit großer Vehemenz soll die Bebauung des Tempelhofer Feldes in einem äußerst zweifelhaften Beteiligungsverfahren forciert werden.

Für den Artenschutz, aber auch für größere Kosten- und Terminsicherheit bei Bauvorhaben wurde mit der Novellierung der Bauordnung eine große Chance vertan.

Ressourcenschutz:

Seit dem Sommer gibt es die von uns lange geforderte Zero-Waste-Agentur unter dem Dach der Berliner Stadtreinigung. Für einen Reparaturbonus stehen zusammen für 2024 und 2025 im Haushalt 2,5 Millionen Euro zur Verfügung. Die Bezuschussung der Reparatur vor allem von Elektrogeräten hilft, die Wegwerfkultur bei Defekten einzudämmen.

Eine zweite Biogas-Anlage zur hochwertigen Verwertung wird immer noch nicht geplant, allerdings eine zweite Müllverbrennungsanlage zur Wärmegewinnung. Das konterkariert nicht nur die Zero-Waste-Strategie, sondern auch den Klimaschutz.

Die Förderung von Mehrwegsystemen mit 130.000 Euro ist unzureichend, genau wie die Kontrollen der Mehrwegangebotspflicht in der Gastronomie. Eine mögliche Abgabe für To-Go-Verpackungen ist noch nicht in Sicht.

Mobilität:

Der Radwegestopp hat den dringend nötigen Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur ausgebremst. Und während die Koalition vollkommen überzogene Ausbaufantasien für das U-Bahn-Netz oder gar den Bau einer Magnetbahn imaginiert, klappt der Betrieb der Berliner Verkehrsbetriebe wegen Personalmangel, Fahrzeugmangel, mangelnder Priorisierung und Defiziten bei der Infrastruktur nach und nach zusammen. Diese weder finanzierbaren noch in absehbaren Zeiträumen zu realisierenden Vorhaben blockieren wichtige Straßenbahnprojekte. Immerhin wurden weitere Planungsschritte für die Straßenbahn auf der Sonnenallee und die Verbindung Schöneweide-Gropiusstadt auf den Weg gebracht.

Vollkommen an den Finanzierungsprioritäten und einer sozial ausgewogenen Preisgestaltung im ÖPNV vorbei geht auch die geplante Einführung des 29-Euro-Tickets nur für Berlin AB mit jährlichen Kosten im dreistelligen Millionenbereich vorbei.

Gleichzeitig konnte nur durch Intervention des Bündnisses die Finanzierung temporärer Spielstraßen in Höhe von 180.000 Euro gesichert werden. Auf 57 temporären Spielstraßen wurde 279 mal im Jahr 2023 gespielt und getobt.

Immerhin auf Bezirksebene wird der ökologische und verkehrssicherere Umbau der Straßen und Plätze weiterverfolgt, hier stechen vor allem die Innenstadtgebiete hervor. Auch entstehen zunehmend Kiezblocks.

Klimaschutz:

Der nicht mehr im Jahr 2023 erfolgte Beschluss des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms (BEK) ist nur ein Beispiel für die Ambitionslosigkeit in der Frage, wie die Ziele erreicht werden sollen.

Die Wärmeplanung und ein Konzept für die dekarbonisierte Fernwärmeversorgung sind weiter völlig offen. Daran ändert auch der noch kurz vor Jahresende besiegelte Kauf des Berliner Fernwärmenetzes von Vattenfall nichts.

Die ökologischen Konfliktpotenziale und Kosten großer geothermischer Wärmequellen werden immer noch nicht stringent genug geklärt.

Genauso unklar bleibt angesichts verfassungsrechtlicher Fragen das weitere Schicksal des geplanten Klimaschutz-Sondervermögens, das mit mindestens fünf Milliarden Euro ausgestattet werden soll. Hier gilt, wie bei vielen anderen Vorhaben, dass weder die Berlinerinnen und Berliner noch die Fachwelt adäquat einbezogen worden sind.

Kontakt:

Nicolas Šustr, Pressesprecher BUND Berlin, Tel. 030-78 79 00-14, sustr(at)bund-berlin.de

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